Boardwalk Empire
sogar noch seinen Nachfolger bestimmen können, doch er blieb stur. Für die Republikaner auf dem Festland stand endgültig fest: Farley muss weg.
Jetzt widmeten sich die McGahn-Brüder Atlantic City. Beide waren im vierten Wahlkreis aufgewachsen und dort auch noch verwurzelt, aber vor allem Pat wusste seine Kundschaft auf den ersten Blick einzuschätzen, ganz wie sein Vater, der Pubbesitzer. Als Politiker hatte Pat einiges mit Nucky Johnson gemeinsam. Beide kannten sich auf den Straßen aus und waren hart im Nehmen. Pat McGahn kannte den politischen Überlebenskampf in Atlantic City nur zu gut. Wie Nucky konnte er sich regelrecht in seine Feinde verbeißen, aber seinen Freunden gegenüber war er großzügig und loyal.
Es gab so gut wie niemand in Atlantic City, der Pat McGahn nicht kannte und nicht wusste, dass er die treibende Kraft im Wahlkampf seines Bruders war. Man konnte ihr Verhältnis ein bisschen mit der Aufgabenteilung zwischen Farley und Boyd vergleichen. Joe war der Kandidat und Wohltäter, Pat der Taktiker und Mann fürs Grobe. Analog zu Boyd und Farley musste sich auch Pat nicht erst mit Joe abstimmen, bevor er Zusagen erteilte. In Dutzenden Treffen mit Wahlkreishandlangern und republikanischem Fußvolk machte sich Pat deren Unzufriedenheit zunutze und überzeugte sie, für die demokratische Liste zu stimmen.
Ihm war bewusst, dass viele Farley von einer erneuten Kandidatur abgeraten hatten und seine Niederlage für unausweichlich hielten. Pat McGahn bestätigte sie darin, dass diese Wahl die Machtverhältnisse grundlegend ändern würde. Wer sich jetzt am Wechsel beteiligte, würde ein Teil des neuen Systems werden. McGahns Appell war erfolgreich. Zwar gab es nur wenige öffentliche Überläufer, aber vielen Wahlkreishelfern gelang es, ihre Nachbarn und Bekannten Farley abspenstig zu machen.
Die Niederlage war eine Schmach. Farley verlor im Verhältnis 2:3 mit einem Abstand von 1 2 000 Stimmen, und die demokratische Liste konnte sich in 18 von 23 Bezirken von Atlantic County durchsetzen. Selbst in Atlantic City lag Farley mit 2000 Stimmen hinter McGahn, und in Jimmy Boyds berüchtigtem vierten Wahlkreis kam es zu einer Pattsituation. Es war eine deutliche Ohrfeige für Farley, er kassierte die erste Niederlage seiner Karriere. Die Enttäuschung darüber lähmte ihn, dennoch nahm er die Pleite mit Anstand hin. Er gratulierte Joseph McGahn öffentlich und wünschte ihm alles Gute. Er war eben immer noch ein Gentleman und Sportler.
Sollte Hap Farley sein Antreten bei der Senatswahl von 1971 je bereut haben, hat er es zumindest nie geäußert. Mit einem freiwilligen Rücktritt wäre er als Elder Statesman in die Geschichte eingegangen. Stattdessen schob man ihn nach der Niederlage beiseite wie ein altes Fahrrad. Ein paar wenige Leute suchten noch seinen Rat, aber das geschah nur noch fern der Öffentlichkeit. Die Zurückweisung der Wähler stigmatisierte Farley für eine weitere politische Laufbahn, doch er akzeptierte sein Schicksal. Bis zu seinem Tod an Krebs 1977 half er der Stadt weiterhin, wo er nur konnte.
Von den drei großen Bossen des korrupten Atlantic City besaß Farley die meiste Ahnung von Regierungsgeschäften und übte sich am meisten in Zurückhaltung bei kriminellen Exzessen. In der politischen Geschichte New Jerseys spielte er in seiner eigenen Liga.
89 Anekdote aus einem Interview mit Frank Ferry.
90 Time Magazine, 31. August 1964.
91 White, T . H.: The Making of the President. Antheneum Publishers, 1965.
92 Ebenda.
93 Kommentar von Vincent Haneman zur Urteilssprechung im Fall Jackman vs. Bodine. New Jersey 1964.
94 Aus einem Interview mit Patrick McGahn.
95 Atlantic City Press, 9. August 1968.
96 Vgl. Atlantic Press, 13. November 1970.
97 Aus einem Interview mit Patrick McGahn.
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Der Letzte macht das Licht aus
Seit Monaten hatte keiner mehr die Fenster geputzt. Die Stühle waren fleckig, und eine übel riechende Feuchtigkeit hing in der Luft. Die Leuchtschrift draußen war längst erloschen, lediglich die Worte »Coming Soon« standen da noch. Außer Skinny D’Amato, dem Besitzer des 500 Club , konnte sich niemand mehr an den letzten Künstler erinnern, der hier aufgetreten war.
Paul D’Amato, genannt Skinny, war eine Lichtgestalt in Atlantic City. Nachdem er von der Schule geflogen war, hatte er schon mit elf Lotterielose verkauft und mit sechzehn seinen ersten Glücksspiel-Salon betrieben. Er war ein erfolgreicher und beliebter Racketeer der Nucky-Johnson-Ära.
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