Boardwalk Empire
rücken. Wenn aus Atlantic City das Vegas des Ostens wurde, schaute auch das FBI wieder genauer hin, und das war nicht in Farleys Sinn.
Erst nachdem Farley abgedankt hatte, war die Zeit reif für die Idee von Mildred Fox. Es war eine Herkulesaufgabe, legales Glücksspiel im großen Stil in die Stadt zu bringen. Zunächst musste die Verfassung geändert werden, wofür wiederum ein Bürgerentscheid für den gesamten Bundesstaat nötig war. Ohne die Unterstützung des Gouverneurs ging gar nichts, aber der gute Draht nach Trenton existierte ohne Farley nicht mehr. Was noch schlimmer war: Der Gouverneur hieß mittlerweile Brendan Byrne und war ein selbstgefälliger ehemaliger Oberrichter, der sich den Beinamen »Mr. Clean« verdient hatte. Er war ungefähr das Letzte, was Atlantic City jetzt brauchte.
Brendan Byrne wurde 1973 zum Gouverneur gewählt. Es war sein erstes politisches Amt, man hatte ihn direkt vom Obersten Gerichtshof des Bundesstaats geholt, denn er war der persönliche Lieblingskandidat einer Gruppe von wohlhabenden Demokraten aus dem Norden von New Jersey. Byrne war der ideale Kandidat, er war ein schlanker, gut aussehender und rhetorisch versierter Mann mit den besten Verbindungen, außerdem Absolvent der Eliteuniversitäten Harvard und Princeton. Er war das genaue Gegenteil von Farley. Nach dem Studium wurde er Assistent eines Richters am Obersten Gerichtshof, danach stellvertretender Staatsanwalt im Bezirk Essex und schließlich Staatsanwalt und Richter. In seiner Zeit als Staatsanwalt galt Byrne als rigoroser und unbestechlicher Verbrechensbekämpfer.
Das altbekannte Korruptionsproblem in New Jersey bescherte Byrne ähnlichen Zuspruch wie Woodrow Wilson sechzig Jahre zuvor. Mit der Unterstützung der führenden Demokraten gewann er die internen Vorwahlen mühelos. Sein darauf folgender Wahlkampf bestand aus dem simplen, aber gewagten Versprechen, die »Rechtschaffenheit« nach New Jersey zurückzubringen. Byrnes Gegner war der Kongressabgeordnete Charles Sandman aus Cape May, der sich seit mehreren Jahren vergebens um das Amt des Gouverneurs bemühte. 1973 hatte er den regierenden Gouverneur William Cahill in erbitterten Vorwahlen düpiert und dabei die Republikanische Partei in zwei Lager gespalten. Später wurde Sandman zu einem der loyalsten Anhänger Nixons während des Watergate-Skandals, und schon vorher war er aufgrund seiner erzkonservativen Einstellung nicht gerade ein Publikumsmagnet. Er verlor haushoch gegen Byrne. In Byrnes erstem Jahr als Gouverneur war die Legalisierung des Glücksspiels kein Schwerpunkt – sie stand noch nicht einmal auf seiner Agenda.
Für die Regierung von Atlantic City war die Angelegenheit aber sehr wohl von höchster Dringlichkeit, denn 1974 sollte das Comeback des ehemaligen Seebads eingeläutet werden. Senator Joe McGahn erhielt sein Startsignal von der Lokalpresse, führenden Geschäftsleuten und Bürgerschaftsvertretern. Um die ersehnten Kasinos anzusiedeln, war nur eine einzige Gesetzesänderung nötig. Das erste Mal in der Geschichte der Provinz Atlantic waren die Senatoren wie auch der Gouverneur Demokraten. Das Jahr 1974 begann hoffnungsvoll, oder wie es in der Atlantic City Press hieß: »Gouverneur Brendan Byrne ist bereit für einen Antrag, der das verfassungsmäßige Glücksspielverbot aufhebt. Das neu gewählte Parlament dürfte das Thema zur Abstimmung freigeben, denn die öffentliche Unterstützung gilt als sicher.« 100
Joe McGahn blieb skeptisch. Er hatte einen Großteil seines Lebens zuschauen müssen, wie seine Heimatstadt den Bach hinunterging, aber jetzt, als Senator, hatte er die Chance, das Steuer herumzureißen. Obwohl er kein Intrigant wie Farley war, konnte er schnell reagieren und besaß die nötige Erfahrung.
McGahns Partner und der eigentliche Kopf hinter dem Glücksspiel-Referendum war der Demokrat Steven Perskie. 1971 , im Alter von 26 wurde er, begünstigt von McGahns Sieg über Farley, zum jüngsten Abgeordneten von Atlantic County gewählt. In Trenton fand sich der junge Abgeordnete schnell zurecht. Er war nicht nur der Neffe von Farleys Erzfeind Marvin Perskie, sondern auch Jurist in dritter Generation, mit dichtem schwarzen Haar und dicker Hornbrille. Er war ein gut aussehender, selbstbewusster und brillanter Redner, der sich unermüdlich für die neuen Kasinos einsetzte und über gute Beziehungen zu Gouverneur Byrne verfügte. Steven Perskie hatte ihn als einer der Ersten bei den Vorwahlen unterstützt und ihn bereits
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