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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Verrückten. Ja, ich sah grauenhaft aus, aber das war mir so was von egal! Ich wollte nur so schnell wie möglich zur Drogenambulanz.
    Es war kurz nach neun, als ich dort ankam. Der Warteraum war halb voll. Der eine oder andere Wartende sah genauso schlimm aus, wie ich mich fühlte. Ob sie alle die gleichen achtundvierzig Stunden Hölle hinter sich hatten wie ich?
    »Hallo, James, wie geht es dir?«, fragte mich der Therapieleiter, als er das Behandlungszimmer betrat, in dem ich auf ihn wartete. Ich glaube nicht, dass er eine Antwort von mir erwartete; er musste mich nur ansehen. Es war nur eine nett gemeinte Floskel.
    »Nicht so toll«, krächzte ich trotzdem.
    »Aber du hast es geschafft! Du hast die zwei Tage überstanden. Das ist eine große Leistung«, lobte er mich.
    Nachdem er mich untersucht hatte, musste ich eine Urinprobe abgeben. Erst dann gab er mir die erste, so heiß ersehnte Tablette Subutex sowie ein Rezept für das Medikament.
    »Du wirst dich jetzt gleich viel besser fühlen«, sagte er. »Und ab sofort wird die Tablettendosis reduziert. So lange, bis wir dich hier nie wiedersehen müssen.«
    Ich blieb noch eine Weile dort, weil die Ärzte sichergehen wollten, dass Subutex keine unerwünschten Nebenwirkungen bei mir hervorrief. Zum Glück war das nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Schon nach kurzer Zeit fühlte ich mich um 1000 Prozent besser.
    Als ich in Tottenham aus dem Bus ausstieg, war ich ein anderer Mensch. Subutex war mit der leicht betäubenden Wirkung von Methadon nicht zu vergleichen. Die Welt um mich herum schien um vieles lebhafter. Ich konnte besser hören, sehen und riechen. Die Farben waren intensiver, die Geräusche klarer. Es war unglaublich. Auch wenn es pathetisch klingt, ich fühlte mich plötzlich ganz lebendig.
    Ich ging in den nächsten Supermarkt und kaufte Bob die neuesten Geschmackskreationen von Sheba sowie eine kleine Quietschmaus zum Spielen.
    Bei meiner Rückkehr in die Wohnung wurde er gebührend verwöhnt und verhätschelt.
    »Wir haben es geschafft, Bob!«, flüsterte ich ihm ins Ohr, als er sich glücklich an mich kuschelte. »Du und ich, die zwei Musketiere!«
    Dieses Gefühl, etwas Außergewöhnliches geleistet zu haben, hat mich beflügelt. Schon nach wenigen Tagen fühlte ich mich gesünder, stärker und lebendiger denn je. Es kam mir vor, als hätte jemand einen Vorhang zurückgezogen und die Sonne in mein Leben gelassen. Und so war es auch.

18
    Die Heimreise
    I ch hätte nicht gedacht, dass Bob und ich uns noch näher kommen könnten. Aber die beiden Horrornächte hatten uns tatsächlich noch inniger aneinander gebunden. In den nächsten Tagen klebte Bob an mir wie ein Magnet. Er passte auf mich auf, als hätte er Angst vor einem Rückfall.
    Dabei ging es mir so gut wie seit Jahren nicht mehr. Allein der Gedanke an die dunklen Zeiten der Abhängigkeit jagte mir kalte Schauer über den Rücken. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, würde es keinen Rückfall mehr geben.
    Zur Feier meines persönlichen Erfolges wollte ich mein Apartment renovieren. Dafür arbeiteten Bob und ich jeden Tag ein bisschen länger an der U-Bahn-Station. Mit dem so verdienten Extrageld kaufte ich Farbe, ein paar passende Kissen und ein paar Bilder für die kahlen Wände.
    Dazu erstand ich noch eine neue Couch aus einem Second-Hand-Möbelhaus in Tottenham. Der Bezug war aus schwerem weinrotem Stoff, der mit ein bisschen Glück den scharfen Krallen von Bob standhalten würde. Das alte Sofa war nur noch schäbig, und das leider nicht nur aus Altersgründen: Bob hatte sich an den Sofabeinen und auf der Sitzfläche mit Genuss die Krallen geschärft. Ab sofort war ein derartiges Benehmen strengstens verboten.
    Die Wochen vergingen, und die Nächte wurden länger und kälter. Bob und ich verbrachten immer mehr Zeit auf unserem kuscheligen neuen Sofa. Ich freute mich schon auf unser nächstes gemeinsames Weihnachtsfest. Aber wieder einmal kam alles ganz anders.
    Außer Rechnungen bekam ich kaum Post. Deshalb fiel mir der Umschlag sofort auf, der eines Morgens im November 2008 in meinem Briefkasten lag. Es war ein Luftpost-Brief mit einem Poststempel aus Tasmanien, der Insel vor der Südküste Australiens. Er kam von meiner Mutter.
    Wir hatten seit Jahren kaum Kontakt, aber trotz der Entfremdung zwischen uns waren ihre Zeilen unterhaltsam und liebevoll. Sie erzählte von ihrem Umzug in ein neues Haus in Tasmanien, und sie schien glücklich zu sein.
    Der Grund für diesen Brief war eine

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