Bob und wie er die Welt sieht
er mit seinem Gesicht ganz nah an meines, als wollte er mich genau unter die Lupe nehmen. Wenn ich ein bisschen erkältet bin, drückt er sich eng an mich und hört mir regelrecht die Brust ab. Es gibt viele dieser kleinen Liebesbeweise. So kommt er oft zu mir, reibt sich an meinem Bein und schnurrt dabei ganz laut. Oder er reibt sein Gesicht an meiner Hand und schmiegt seinen Kopf so stürmisch in meine Handfläche, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als ihn hinter den Ohren zu kraulen. Zoologen und Tier-Verhaltensforscher haben ein Recht auf ihre Meinung, aber für mich ist das Bobs ganz persönliche Art, mir seine Liebe zu zeigen.
Die wichtigsten Gebärden von Bob, die ich verstehen muss, betreffen natürlich das Futter. Wenn er will, dass ich in die Küche komme, um ihn zu füttern, läuft er dort herum und schlägt mit einer Pfote gegen die Türen der Küchenschränke. Er ist so schlau, dass er die Kindersicherungen, die ich sehr schnell anbringen musste, als er bei mir einzog, mit Sicherheit knacken könnte. Deshalb muss ich auch immer nachsehen, ob die Türen noch zu sind, wenn er randaliert. Sobald ich in die Küche komme, sitzt er an einer bestimmten Stelle neben der Heizung und mustert mich mit gekonnt unschuldigem Blick. Nur: Lange hält er das nicht durch, denn ein Leckerchen pro Küchenbesuch muss schon drin sein.
Bob ist der hartnäckigste Kater der Welt, und er würde niemals Ruhe geben, bis er bekommt, was er will. Wenn ich ihn mal absichtlich ignoriere, frustriert ihn das ungemein. Dann buhlt er mit allen möglichen Tricks um meine Aufmerksamkeit. Er klopft mit der Vorderpfote auf mein Knie oder verfolgt mich mit seinem »Gestiefelter Kater«-Blick. Seine Kreativität kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, das Loch in seinem Magen zu füllen.
Einige Zeit fand er es gar nicht lustig, wenn ich mich auf meiner gebrauchten Xbox in ein Computerspiel vertiefte. Dann versuchte er mich mit allen Mitteln abzulenken. Aber meistens sah er mir beim Daddeln gerne zu. Spiele wie Autorennen fand er richtig spannend. Er stand dann neben mir und verfolgte gespannt jede Kurve und jedes Überholmanöver. Ich könnte schwören, dass sein Körper sich mit in die Kurve legte, als wir eine besonders gefährliche Haarnadelkurve zusammen in Angriff nahmen. Doch bei Action-Spielen mit viel Herumballern war bei ihm Schluss. Wenn ich damit anfing, verzog er sich auf die andere Seite des Wohnzimmers. Wenn das Spiel – oder auch ich – zu laut wurde, hob er den Kopf und starrte mich an. Dieser genervte Blick war nicht misszuverstehen: »Hallo? Mach leiser, siehst du nicht, dass ich schlafen will?«
Manchmal vergaß ich tatsächlich Raum und Zeit über den Xbox-Spielen. Es kam vor, dass ich um neun Uhr abends anfing und bis zum Morgengrauen durchmachte. Bob gefiel das gar nicht, und er tat alles, um meine Aufmerksamkeit zurückzuerobern, vor allem wenn er hungrig war.
Im Eifer des Gefechts konnte es schon mal vorkommen, dass mir sogar seine Charme-Offensiven entgingen. Aber auch da wusste sich mein schlauer Kater durchzusetzen.
Eines Abends spielten Belle und ich gerade gegeneinander, als Bob auftauchte. Er hatte erst vor zwei Stunden sein Abendessen bekommen. Trotzdem war er der Meinung, es wäre Zeit für einen Snack. Er zog alle Register, mit denen er sich sonst immer sofort in den Mittelpunkt schummelte, er gab die verschiedensten Laute von sich, drapierte sich theatralisch auf meinen Füßen und strich mir stürmisch um die Beine. Aber Belle und ich waren so damit beschäftigt, als Erster den nächsten Level des Spieles zu erreichen, dass wir auf keine seiner Maßnahmen reagierten.
Für einen Moment sah es aus, als würde er aufgeben. Er umkreiste den Mehrfachstecker auf dem Boden, über den der Fernseher und die Xbox ans Stromnetz angeschlossen waren. Gleich darauf stakste er entschlossen auf die Spielekonsole zu und presste seinen Kopf gegen den großen Schaltknopf in der Mitte.
»Hey, Bob, was machst du da?«, fragte ich zwar automatisch, war aber viel zu sehr in unser Spiel vertieft, um seinen Plan zu durchschauen.
Und plötzlich war der Bildschirm schwarz und die Xbox aus. In seinem Frust hatte er tatsächlich so viel Druck auf den Knopf ausgeübt, dass er sie ausgeschaltet hatte. Das Erreichen des höheren Levels konnten wir nun vergessen und hätten allen Grund gehabt, wirklich böse auf ihn zu sein. Aber wir waren so verdutzt, dass wir unseren Cyberkater nur fassungslos anstarrten.
»Hat er das
Weitere Kostenlose Bücher