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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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Ich hatte dann immer Angst, vor meiner Tür stünde ein Gerichtsvollzieher oder Schuldeneintreiber, der Geld von mir wollte, das ich nicht hatte.
    So ging es mir auch an diesem Morgen, als es gegen neun Uhr klingelte. Bob und ich machten uns gerade für die Arbeit fertig.
    »Wer kann das bloß sein?«, fragte ich Bob und schob ganz automatisch die Gardine zur Seite, obwohl ich aus dem fünften Stock den Hauseingang gar nicht sehen konnte.
    »James, hier ist Titch. Darf ich mit Prinzessin hochkommen?«, hörte ich eine bekannte Stimme über die Gegensprechanlage.
    Ich atmete erleichtert auf: »Ah, Titch! Klar doch, komm hoch. Ich mach schon mal den Wasserkessel an.«
    Titch ist ein Spitzname und bedeutet so viel wie »Dreikäsehoch«. Der Name passte zu ihm, denn er war ein kleiner, drahtiger Kerl mit dünnem Haar, auch ein ehemaliger Junkie, der inzwischen The Big Issue verkaufte. Momentan hatte er ziemliche Probleme mit dem Job. Er hatte in letzter Zeit ein paar Mal bei mir übernachtet. Kurz nachdem er zum Vertriebsleiter in Islington ernannt worden war, gab es Ärger mit der Verwaltung. Sie hatten ihm für sechs Monate die Verkaufslizenz entzogen: eine lange Durststrecke, die er jetzt ohne Job überbrücken musste.
    Durch Bob hatte ich eine zweite Chance im Leben bekommen, und deshalb half ich jetzt Titch ein bisschen, damit er wieder auf die Beine kam. Außerdem mochte ich ihn: Unter der harten Schale pochte ein gutes Herz.
    Es gab noch einen Grund, warum Titch und ich uns gut verstanden. Wir arbeiteten beide mit unserem Haustier auf der Straße. Bei Titch war das sein treuer schwarzer Labrador-Staffordshire-Bullterrier-Mix Prinzessin. Sie war ein ganz lieber Hund mit gutmütigem Charakter. Trotzdem ließ er Prinzessin normalerweise bei Bekannten, wenn er bei mir übernachtete. Denn er kannte natürlich auch Bob und nahm Rücksicht auf ihn. Wir waren uns einig, dass ein Hund in meiner Wohnung keine gute Idee war. Aber jetzt hatte er seine Prinzessin dabei. Ich machte mich auf empörtes Katzentheater gefasst, sobald die beiden unsere Wohnung betraten.
    Es klopfte an der Wohnungstür, und Bob stellte die Ohren auf. Als Titch mit Prinzessin eintrat, machte er einen Katzenbuckel und fauchte empört. Angeblich krümmen Katzen beim Kämpfen ihren Rücken, um größer zu wirken. Das aufgeplusterte Fell dient demselben Zweck. Bei Prinzessin hätte sich Bob diese Drohgebärden allerdings sparen können. Sie war ein friedlicher Hund und ging Kämpfen am liebsten aus dem Weg. Sie war nur manchmal ein bisschen nervös. Als sie Bob in Kampfstellung entdeckte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Es war der klassische Rollentausch; der große Hund hatte Angst vor dem kleinen Kater.
    »Ganz ruhig, Prinzessin«, redete ich beschwichtigend auf sie ein. »Er tut dir nichts.«
    Ich nahm sie am Halsband und führte sie in mein Schlafzimmer. Dann schloss ich zu ihrer eigenen Sicherheit die Tür.
    Ich reichte Titch seinen Becher Tee, und er kam gleich zur Sache: »Hör mal, James, könnte ich Prinzessin vielleicht heute bei dir lassen? Ich muss aufs Amt und etwas wegen meiner Sozialhilfe klären.«
    Das konnte dauern. Das wusste ich aus eigener, leidvoller Erfahrung. Trotzdem nickte ich. »Ja, klar doch. Kein Problem, nicht wahr Bob?«
    Sein Blick war rätselhaft.
    »Wir müssen natürlich zur Arbeit. Ich kann sie doch mitnehmen, oder?«
    Titch wirkte erleichtert. »Aber sicher«, antwortete er. »Wäre es okay, wenn ich sie heute Abend gegen sechs dort abhole?«
    Ich nickte.
    »Na, dann mache ich mich besser auf den Weg. Ich muss am Anfang der Schlange stehen, wenn ich noch vor Weihnachten aufgerufen werden will«, witzelte Titch. Dabei stand er auf und öffnete meine Schlafzimmertür einen Spalt breit.
    »Prinzessin, sei ein braves Mädchen«, verabschiedete er sich.
    Wie Bob vorhin eindrucksvoll bewiesen hatte, waren ihm Hunde egal, solange sie ihn nicht angriffen. Aber im Ernstfall konnte er sich auch wehren. Er hat schon so manchen furchteinflößenden Köter mit seinem Knurren und Fauchen in die Flucht geschlagen. Als ich noch als Straßenmusiker in Covent Garden unterwegs war, durfte ich miterleben, wie er einen völlig hysterischen Hund zur Räson brachte. Ein kurzer Pfotenhieb mit ausgefahrenen Krallen auf die empfindliche Nase des Angreifers, und schon war Ruhe.
    Bob verteidigte sein Revier nicht nur Hunden gegenüber, er mochte da auch keine anderen Katzen. Da war er so rigoros, dass ich mich ernsthaft fragte, ob er sich

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