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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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sie es gelesen hatten. Meine Lebensgeschichte war weder romantisch noch glamourös. Das Leben auf der Straße war trostlos und manchmal sogar abstoßend. In den ersten beiden Wochen, nachdem Garry und ich das Manuskript abgegeben hatten, wartete ich täglich auf eine Absage vom Verlag: »Tut uns leid, dieses Buch war ein Fehler.« Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen kam ein Brief, der mir das Erscheinungsdatum des Buches für das nächste Frühjahr bestätigte, genauer gesagt, für März 2012.
    Jetzt hatte ich ein Ziel, aber in der Zwischenzeit musste ich weiter Geld verdienen. Mir blieb nichts anderes übrig, als zur Straßenmusik zurückzukehren – und damit nach Covent Garden.
    Gerne tat ich das nicht, denn nach zwei Jahren als Zeitungsverkäufer war es ein klarer Rückschritt. Als Straßenmusiker steht man gerade mal eine Stufe über dem Bettler. Ich hatte wirklich gehofft, diese Zeiten wären vorbei.
    Außerdem hatte meine Stimme in den letzten beiden Jahren gelitten. Zum Anpreisen der Zeitung gehörte es dazu, Hunderte Male pro Tag »The Big Issue« zu schreien. Das ging auf die Stimmbänder, viel mehr als jeder Gesang. Als ich meine Gitarre in die Hand nahm, um probeweise zu singen, war ich entsetzt über mein Gekrächze. Ich musste mich auch erst wieder daran gewöhnen, längere Zeit durchgehend Gitarre zu spielen. Die Hornhaut auf meinen Fingerkuppen war nicht mehr vorhanden.
    Das waren die Nachteile meiner neuen Situation, mit denen ich zurechtkommen musste. Aber es gab auch Vorteile, und ich versuchte einfach, mich darauf zu konzentrieren.
    Das Beste an der Straßenmusik war, dass ich ab sofort wieder unabhängig war. Bei The Big Issue stand man trotz »Selbstständigkeit« immer unter Beobachtung. Der Leitsatz der Organisation war, eine helfende Hand auszustrecken, anstatt Almosen zu verteilen. Mir hat das jedenfalls sehr geholfen. Die Arbeit hatte eine gewisse Stabilität in mein Leben gebracht. Ohne diesen Job wäre ich bestimmt niemals gefragt worden, ob ich ein Buch schreiben wollte.
    Ich muss zugeben, es war nicht leicht, mich all den Regeln zu unterwerfen. Die Probleme, die ich dadurch immer wieder bekam, waren teils Pech, teils aber auch persönliche Differenzen, und natürlich war ich auch kein Heiliger. Mit Autorität konnte ich noch nie gut umgehen, und das hat sich leider bis heute nicht geändert.
    Es war ein gutes Gefühl, wieder mein eigener Herr zu sein. Ich hatte meine Freiheit wieder.

    Was uns die Rückkehr zur Straßenmusik erheblich erleichterte, war unser neuer Bekanntheitsgrad. Dank mehrerer Zeitungsartikel und dem Internet genossen wir inzwischen so etwas wie lokale Prominenz in London.
    Gleich am ersten Tag, als ich mit Bob wieder als Straßenmusiker unterwegs war, fiel mir auf, dass viel mehr Menschen bei uns stehen blieben als früher. Immer wieder bildeten sich kleine Halbkreise von Touristen und anderen Passanten um uns herum, die uns fotografierten und vor Bob auf die Knie gingen, um ihn zu streicheln. Total erstaunt war ich über die Anzahl ausländischer Touristen, deren Sprache ich zum Teil nicht einmal zuordnen konnte, die uns anlächelten und sagten: »Ah, Bob!«
    Bob genoss diesen Rummel um seine Person. Ich wurde dauernd gebeten, »Wonderwall« von Oasis zu spielen. Dieser Song war leicht zu spielen. Dafür musste ich nur ein Capo auf den zweiten Bund meiner Gitarre klemmen und drauflosklimpern. Früher hatte ich diesen Song Hunderte Male gedankenlos zum Besten gegeben, aber jetzt hatten die Worte eine persönliche Bedeutung, besonders die Zeile im Refrain: »Maybe you’re gonna be the one that safes me« – was so viel heißt wie »Vielleicht wirst du mein Retter sein«. Wenn ich dabei Bob ansah, wurde mir klar, dass diese Worte genau auf ihn zutrafen, nur dass es bei uns kein »Vielleicht« gab. Er war mein Retter, unbedingt.

    Ein weiterer Vorteil von Covent Garden war die Atmosphäre. Dieser Stadtteil kannte keine Langeweile. Er hatte seinen eigenen Rhythmus und seine eigenen Regeln. Gegen sieben Uhr abends war in Covent Garden am meisten los. Dann hatten all die Angestellten Feierabend und rasten zur U-Bahn, um wegzukommen, während sich gleichzeitig Massen von Vergnügungssüchtigen nach Covent Garden drängelten, um die Bars, Restaurants, Theater und Opernhäuser zu stürmen.
    Von unserem Standort auf der Neal Street aus hatten wir den besten Überblick und konnten jederzeit genau sagen, wer gerade auf dem Weg wohin war. Die jugendlichen Club-Gänger

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