Bob und wie er die Welt sieht
einer Woche die Sonne schien, aber auch, weil wir heute wegen eines Arzttermins früher Schluss machen mussten.
Seit über einer Woche schlug ich mich mit einer schlimmen Bronchitis herum. Nachts konnte ich vor lauter Husten und Keuchen nicht mehr schlafen. Ich musste endlich etwas tun. Der Schlafmangel machte mich müde und antriebslos.
Ich hatte mir gerade die Gitarre umgehängt und die ersten Akkorde gezupft, als eine Frau in blauem Rippenpullover entschlossen auf uns zu marschierte. Das war keine Touristin. Als sie näher kam, erkannte ich die Schulterklappen und das Abzeichen mit einem mir wohlbekannten Logo. Sie war von der RSPCA .
Eigentlich bin ich ein großer Fan und Unterstützer dieser großen englischen Tierschutzorganisation. Sie verhindert viel Leid und setzt sich für das Wohlergehen der Tiere ein. Außerdem hatten sie mir in der Vergangenheit schon oft geholfen, als Bob krank war. Als ich Bob damals verletzt im Flur meines Mietshauses gefunden hatte, war ich mit ihm in eine RSCPA -Tierambulanz bei mir in der Nähe gegangen. Der Tierarzt dort hatte mir nicht nur ein Rezept für die nötigen Medikamente gegeben, um Bobs Wunden zu heilen, sondern auch viele gute Ratschläge für den Umgang mit Katzen und ihre Pflege.
Aber das war lange her. An diesem Tag bekam ich schnell das Gefühl, dass der Auftritt der RSPCA -Mitarbeiterin nichts Gutes verhieß.
»Hallo, James, wie geht’s denn so?«, sprach sie mich an und hielt mir ihren Ausweis vor die Nase. Darauf stand, dass sie den Titel »Inspektor« trug.
Ich stutzte. Wieso kannte die meinen Namen?
»Danke, gut«, erwiderte ich misstrauisch. »Gibt es ein Problem?«
»Man hat mich gebeten, hier mal nach dem Rechten zu sehen, denn wir hatten leider diverse Beschwerden, dass Sie Ihren Kater Bob schlecht behandeln«, kam sie gleich zur Sache.
»Was?! Ich? Ihn schlecht behandeln? Wie denn das?«, stammelte ich entsetzt. In meinem Kopf drehte sich alles. Wer behauptete so etwas? Und was sollte ich meinem Kater denn angetan haben? Mir wurde schlecht vor Aufregung, aber ich wusste, dass ich mir in diesem Moment keinen Schwächeanfall leisten konnte. Ich musste mich konzentrieren und sehr vorsichtig sein.
»Ich habe das Gefühl, dass es sich hier um eine unbegründete Anschuldigung handelt. Ich habe euch beide schon eine Weile beobachtet und Sie gehen sehr liebevoll mit Ihrem Kater um«, sagte sie und kraulte Bob unter dem Kinn. »Aber wir müssen uns unterhalten, und ich muss Ihren Kater untersuchen, um ganz sicherzugehen, dass ihm nichts fehlt, wenn’s recht ist.«
»Okay, machen Sie nur«, willigte ich ein. Was blieb mir anderes übrig?
Sie legte ihren Rucksack ab und holte einen Notizblock und einige Instrumente hervor. Dann kniete sie sich vor Bob hin und fing an, ihn zu untersuchen.
Bob hatte kein Problem damit, seinem Unwillen Ausdruck zu verleihen, wenn man an ihm herumdrückte und -zog. In der Vergangenheit hat er zwei Tierärzte böse angefaucht und bei einer Assistentin, die ihn etwas unsanft angepackt hatte, sogar geknurrt und gekratzt. Deshalb hielt ich nun den Atem an vor Angst, dass er sich dieser Fremden gegenüber zur Wehr setzen könnte. Dabei war es gar nicht hilfreich, wenn er merken sollte, wie nervös ich gerade war. Das wäre jetzt gar nicht gut, dachte ich verzweifelt.
Es war natürlich nicht das erste Mal, dass ich von Fremden beschuldigt wurde, meinen Kater nicht artgerecht zu behandeln. Und was mir da alles vorgeworfen wurde. Es gab drei Kategorien von Anschuldigungen:
Allen voran der ewige Vorwurf, dass ich Bob ausbeute und zu meinem eigenen Vorteil »benutze«. Meine Antwort darauf war immer dieselbe: Eine Katze ist dein Freund, aber niemals dein Sklave. Eine Katze kann man nicht zwingen, etwas zu tun, was sie nicht tun will. Und sie wird auch niemals bei einem Menschen bleiben, den sie nicht mag, welchen Komfort er ihr auch bietet. Bob war ein Alphatier mit einem sehr ausgeprägten eigenen Willen. Ohne Vertrauen und Liebe wäre er niemals bei mir geblieben. Ob er morgens mit mir in die Stadt kam oder nicht, war immer seine eigene Entscheidung.
Es gab tatsächlich Tage, an denen er lieber zu Hause blieb. Aber die waren selten, das muss ich zugeben. Es machte ihm einen Heidenspaß, mit mir zusammen unterwegs zu sein, er traf gerne neue Leute und genoss die Aufmerksamkeit. Aber wenn er sich verkroch oder einfach nicht zur Tür kam, wenn ich gehen wollte, respektierte ich seine Entscheidung. Es gab immer ein paar
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