Bob und wie er die Welt sieht
wäre verrückt geworden vor Sorge um mein Rotpelzchen.
Meine anfängliche Erleichterung war schnell verflogen.
Die RSPCA hatte viele Rechte, wenn sie gegen die Halter von vernachlässigten Tieren vorgingen. Sie durften Tiere beschlagnahmen und deren Eigentümer verklagen. Warum wollte sie ein zweites Mal vorbeikommen? Was würde sie ihren Vorgesetzten über uns erzählen? Was würde in ihrem Bericht stehen? Wenn sie mich nun doch belangen und mir – Gott bewahre! – Bob wegnehmen würden? Ich konnte dieses zermürbende Gedankenkarussell nicht mehr stoppen und fühlte mich mal wieder hilflos ausgeliefert.
Ich beschwor mich, damit aufzuhören. Immer diese Paranoia. Es würde nichts dergleichen passieren. Es gab keinen Grund für meine Angst. Ich musste nur aufhören, daran zu denken.
Aber auch noch abends auf dem Heimweg verkrampfte sich mein Magen aus Angst vor der RSPCA . Ich hatte so eine Ahnung, dass dieses Damokles-Schwert noch lange über mir schweben würde.
Schon nach einer Woche war die RSPCA -Inspektorin wieder da. Diesmal war sie viel netter und entspannter als beim letzten Mal. Bob ließ sich auch diesmal widerstandslos von ihr untersuchen.
Ich war auch nicht mehr so eingeschüchtert von ihr und schaffte es sogar, mich ganz locker mit ihr zu unterhalten.
Wieder machte sie sich Notizen. Sie wollte wissen, was wir letzte Woche gemacht hatten und wie unsere Pläne für die nächsten Tage aussahen.
Sie blieb eine Weile bei uns sitzen und beobachtete unser Zusammenspiel sowie unseren Kontakt mit den Passanten. RSPCA -Inspektoren werden offensichtlich geschult, tierisches Verhalten zu interpretieren, und sie konnte sich davon überzeugen, dass Bob freiwillig und gerne bei mir war und es ihm Spaß machte, den Zuschauern kleine Kunststücke vorzuführen.
Als sie uns verließ, versprach sie, sich bald wieder bei mir zu melden. Auch diesmal bekam Bob wieder eine Streicheleinheit zum Abschied, und mir reichte sie sogar die Hand.
Ich spielte noch eine Stunde weiter, aber ich war nicht ganz bei der Sache. Gerade dachte ich darüber nach, früher Schluss zu machen, als eine bekannte Gestalt auf uns zustürmte. Es war die Hausverwalterin eines gegenüberliegenden Häuserblocks auf der Neal Street. Wir hatten immer wieder unsere Differenzen, weil sie aus unerfindlichen Gründen mein Gitarrenspiel störte. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde es gleich wieder krachen. Offenbar hatte sie mich aus einem Fenster beobachtet und gesehen, wie sich die RSCPA -Inspektorin von mir verabschiedete.
»Da oben versuchen Leute zu schlafen«, blaffte sie mich grußlos an.
»Aber es ist schon zwei Uhr nachmittags«, antwortete ich verblüfft.
»Das ist hier nicht das Thema«, kanzelte sie mich ab wie einen Dreijährigen. »Sie dürfen hier keine Musik machen. Können Sie das Schild nicht lesen?« Dabei deutete sie auf eine Tafel, die an der Hauswand eines Gebäudes auf der anderen Straßenseite hing.
»Aber ich stehe ja nicht da drüben, sondern hier«, wehrte ich mich. »Und das darf ich. Das haben mir die Kontrolleure und die Polizei bestätigt.«
Aber sie hörte mir gar nicht zu. Sie wollte mich nur abkanzeln und vertreiben.
»Ich habe die Nase voll von dir und deiner blöden Katze. Ich rufe jetzt die Polizei und lasse dich von hier entfernen«, drohte sie und marschierte zurück auf die andere Straßenseite. Sie war noch wütender als bei ihrer Ankunft vor ein paar Minuten.
Ihre Argumentation war total lächerlich. Es war Nachmittag, und kein normaler Mensch schlief um diese Zeit. Ich hatte weder Verstärker noch E-Gitarre; mein Lärmpegel hielt sich also sehr in Grenzen. Außerdem war dies eine Tag und Nacht sehr stark befahrene Straße. Wenn etwas ihre Mieter wach hielt, dann war es das konstante Getöse von Lieferwagen, LKW s und Polizeisirenen, aber nicht meine Gitarre. Die war doch verrückt!
Trotzdem wusste ich, dass sie im Zweifelsfall das Gesetz bis zu einem gewissen Punkt auf ihrer Seite hatte. Es gab hier nur eine beschränkte Erlaubnis für Straßenmusiker, und ich musste vorsichtig sein. Trotzdem wollte ich jetzt noch eine Weile hierbleiben. Sie sollte nicht denken, dass sie mich erfolgreich beschimpft hatte. Aber ich behielt die Straße wachsam im Auge.
Und tatsächlich, eine halbe Stunde nachdem mich die Hausverwalterin niedergebrüllt hatte, bog nur hundert Meter von unserem Standort entfernt ein Polizeibus in die Straße ein.
»Das gefällt mir gar nicht, Bob«, raunte ich ihm zu.
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