Boccaccio
her.
Der ›Corbaccio‹ ist verschollen … das Bild des alternden Boc-
caccio ist verblaßt und ferngerückt. Das ›Dekameron‹ aber und
sein Verfasser … sind heute noch so jung und blühend und le-
bendig wie dazumal, und das köstliche Buch macht heute noch
unzähligen Jungen und Alten nicht weniger Vergnügen wie einst
den Florentinern des Trecento.«
Eine derart ertragreiche literarische Resonanz wie hat Hes-
ses Auseinandersetzung mit Boccaccio in der Folgezeit nicht
mehr gefunden. Allerdings lassen sich Zeugnisse über seine Be-
schäigung mit dem italienischen Humanisten auch noch in
späteren Jahren recherchieren. Im Feuilleton der Neuen Zürcher
Zeitung kündigt er am . September die im selben Jahr
im Inselverlag erschienene deutsche Fiammetta-Übersetzung
an, wobei er das Dekameron und die Fiammetta als künstlerisch wertvollste Werke Boccaccios bezeichnet und zugleich den
Wunsch nach einer Übersetzung der um / verfaßten Lie-
bes- und Metamorphosengeschichte Ninfale Fiesolano des Toska-
ners äußert.
Ebenfalls in der Neuen Zürcher Zeitung (. Oktober )
macht Hesse auf die zweite Auflage der Dekamerone -Überset-
zung von Schaum aufmerksam.
In seinem Aufsatz Ferienlektüre in der Zeitschri März vom
Jahre weist Hesse auf die dritte Auflage der Dekameron -
Übersetzung des Inselverlags hin.
Als der Inselverlag aus Anlaß des . Geburtstags Boc-
caccios die Dekamerone -Übersetzung von Albert Wesselski in
Form einer luxuriösen Jubiläumsausgabe herausgab mit den Il-
lustrationen der venezianischen Edition von , war das für
Hesse eine willkommene Gelegenheit zu einigen Reflexionen
über Boccaccio, die er mit einer Deskription der Luxusausgabe
verband. Wahrscheinlich noch unmittelbar unter dem Eindruck
seiner Italienreise von setzt Hesse diesem Artikel gleichsam
als Präludium eine skizzenhae Landschasbeschreibung der
Heimat Boccaccios voran, die Hesses Empfänglichkeit für Ita-
liens Naturschönheiten reflektiert.
In der Neuen Zürcher Zeitung vom . November kün-
digt Hesse die Jubiläumsausgabe erneut an, wobei er noch de-
taillierter auf die buchtechnische Ausstattung des Faksimile-
drucks der venezianischen Ausgabe eingeht, den sorgfältigen
Satz und die ästhetische Antiqua erwähnt, die Reproduktion der
Holzschnitte mit der Freskenkunst des Quattrocento vergleicht
und abschließend das Dekameron als Meisterleistung der Weltli-
teratur klassifiziert.
Sobald Hesse Gelegenheit dazu findet, empfiehlt er immer
wieder Boccaccios Dekameron zur Lektüre. Als die Dekameron -
Übersetzung von H. Conrad erschien, hebt Hesse dessen
Übersetzungsleistung als verdienstvoll hervor und wirbt um ein
möglichst breites Leserpublikum für Boccaccios Novellen-
buch.
Wenn er in späteren Jahren seine Begeisterung für Boccaccio
auch nicht mehr mit der Intensität artikuliert wie in den beiden
ersten Dezennien des zwanzigsten Jahrhunderts, so hat er den-
noch das Interesse an der Novellenkunst des Toskaners nie
verloren. Wie für seinen Romanhelden Josef Knecht in der
veröffentlichten Lebensbeschreibung Das Glasperlenspiel
blieb auch für Hesse Boccaccios Dekameron die geniale Schöp-
fung der novellistischen Weltliteratur.
Von den drei repräsentativen Autoren der italienischen Litera-
tur des Trecento, dem noch mehr zum Mittelalter zählenden
Dante, Petrarca und Boccaccio, deren Namen im Rahmen der
geschichtlichen Periodisierung des Humanismus nach dem Mit-
telalter die Wiedergeburt der europäischen Kultur und den An-
fang eines neuen Zeitalters kennzeichnen, hat Boccaccio Hesse
am stärksten fasziniert, wohl nicht zuletzt deshalb, weil Hesse,
als er sich für die italienische Renaissance zu interessieren be-
gann, ein besonderes Faible für Legenden-, Novellen- und Fa-
belliteratur entwickelte und nach dem Vorbild der Erzähltradi-
tion des Mittelalters und der Renaissance selbst zahlreiche
Novellen und Legenden verfaßte.
Fritz Wagner
Anmerkungen zum Nachwort
F. Wagner, Hermann Hesse and the Middle Ages , in: e Modern
Language Review (), S. –.
G. E. Grimm, U. Breymayer, W. Erhart, Ein Gefühl von
freierem Leben. Deutsche
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