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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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bemitleidete mich.
    Ich bin es gewohnt, abgebrannt zu sein, und auch die Arbeitslosigkeit ist mehr als nur ein flüchtiger Bekannter. Ich bin von Frauen verlassen worden, die ich liebte, und hatte mitunter wahnsinnige Zahnschmerzen. Aber irgendwie läßt sich nichts davon mit dem Gefühl vergleichen, daß die ganze Welt gegen einen ist.
    Ich dachte an Freunde, die ich um Hilfe bitten konnte, aber wie immer, wenn ich mein Sozialleben einer solchen Revision unterzog, merkte ich, daß viel zu viele von ihnen im Ausland waren, tot, mit Leuten verheiratet, die mich nicht ausstehen konnten, oder daß sie, wenn ich’s mir recht überlegte, nie echte Freunde gewesen waren.
    Und deswegen fand ich mich plötzlich in einer Telefonzelle am Piccadilly und wollte mich zu Paulie durchstellen lassen.
    »Ich fürchte, er ist im Moment im Gericht«, sagte eine Stimme. »Kann ich ihm etwas ausrichten?«
    »Richten Sie ihm aus, Thomas Lang habe angerufen, und wenn er mich nicht um Punkt ein Uhr bei Simpson’-in-the-Strand zum Essen einlade, sei es mit seiner Justizkarriere aus.«
    »Justizkarriere … aus«, notierte sich die Büromaus. »Ich richte es ihm aus, sobald er sich meldet, Mr Lang. Auf Wiederhören.«
     
    Paulie, mit vollem Namen Paul Lee, und mich verband ein merkwürdiges Verhältnis.
    Es war merkwürdig insofern, als wir uns alle paar Monate auf rein sozialer Basis trafen – Pubs, Restaurants, Theater oder Oper, in die er ganz vernarrt war –, und dennoch gaben wir beide freimütig zu, daß wir den anderen nicht im geringsten mochten. Kein Fitzelchen. Wären unsere Emotionen bis zum Haß gediehen, dann könnte man das als ziemlich verquasten Gefühlsausdruck interpretieren. Aber wir haßten uns nicht. Wir mochten uns bloß nicht, das war alles.
    Ich fand, daß Paulie ein geltungsbedürftiger, gieriger Schnösel war, und er fand, daß ich eine faule, unzuverlässige Drecksau war.
    An Positivem ließ sich über unsere »Freundschaft« nur sagen, daß sie auf Gegenseitigkeit beruhte. Wir trafen uns, verbrachten vielleicht eine Stunde miteinander und trennten uns dann mit einem erleichterten »Das wäre Gott sei Dank mal wieder überstanden«-Gefühl, das absolut ausgewogen verteilt war. Während ich für fünfzig Pfund Roastbeef und Bordeaux bekam, gab Paulie zu, daß er für genau fünfzig Pfund Überlegenheitsgefühl bekam, wenn er mein Essen bezahlte.
    Ich mußte den Oberkellner um eine Krawatte bitten, und das ließ er mich büßen, indem er mir nur die Wahl zwischen einer roten und einer roten gab, aber um Viertel vor eins saß ich bei Simpson’s am Tisch und ließ die Unerfreulichkeiten des Vormittags in einem großen Wodka Tonic schmelzen. Viele Gäste waren Amerikaner, was wohl erklärte, warum der Rinderbraten besser wegging als die Lammkeule. Amerikaner haben sich nie so recht mit der Vorstellung anfreunden können, Schafe zu essen. Vielleicht glauben sie, das wär’ was für Weicheier.
    Paulie erschien Schlag ein Uhr, aber ich wußte, daß er sich für seine Verspätung entschuldigen würde.
    »Tut mir leid, daß ich so spät dran bin«, sagte er. »Was trinkst du da? Wodka? Hätt’ ich auch gern.«
    Der Kellner schwirrte ab, und Paulie sah sich im Saal um, strich die Krawatte über dem Hemd glatt und schob von Zeit zu Zeit das Kinn vor, um den Druck des steifen Kragens auf die Falten am Hals zu lindern. Sein Haar saß wie immer locker und blitzsauber. Er behauptete, das komme bei den Geschworenen an, aber seine Liebe zum Haar war schon immer Paulies große Schwäche gewesen. Er war, ehrlich gesagt, nicht gerade mit körperlichen Vorzügen gesegnet, aber als Trostpreis für seinen kurzen, untersetzten Hutzelkörper hatte Gott ihn mit einem herrlichen Haarschopf bedacht, den er in verschiedenen Schattierungen wahrscheinlich noch mit achtzig haben wird.
    »Cheers, Paulie«, sagte ich und kippte etwas Wodka.
    »Hi. Wie läuft’s?« Paulie sah seinem Gesprächspartner nie in die Augen. Man konnte mit dem Rücken an einer Backsteinmauer stehen, er sah einem trotzdem über die Schulter.
    »Immer vorne raus«, sagte ich. »Und selbst?«
    »Hab’ den Wichser schließlich doch noch rausgehauen.« Er schüttelte verwundert den Kopf. Ein Mann, den seine eigenen Fähigkeiten ständig überraschten.
    »Ich wußte gar nicht, daß du neuerdings Sexualdelikte machst, Paulie.«
    Er lächelte nicht mal. Paulie lächelte eigentlich nur am Wochenende.
    »Nee«, meinte er. »Ich hab’ dir von dem Typen doch erzählt. Der

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