Bockmist
herumwirbelte, packte der jüngere ihr Handgelenk und bog es sehr gekonnt nach unten vom Körper weg. Sie schrie auf, und die Waffe fiel ihr aus der Hand.
Ich hob sie auf und reichte sie mit dem Kolben voran dem älteren Verfolger. Eifrig bemüht zu zeigen, daß ich im Grunde ein braver Junge war, was die Welt bloß nicht einsehen wolle.
Als O’Neal und Solomon ankamen, hatten Sarah und ich es uns auf dem Sofa bequem gemacht, die beiden Verfolger spielten Gruppenbild mit Tür, und keinem von uns war nach Konversation zumute. Als dann auch noch O’Neal hin und her sauste, kam mir die Wohnung plötzlich brechend voll vor. Ich bot an, etwas Kuchen zu besorgen, aber O’Neal warf mir seinen grimmigsten »Die Verteidigung des Abendlandes ruht auf meinen Schultern«-Blick zu, also verstummten wir alle und begutachteten unsere Fingernägel.
Nach einer geflüsterten Unterhaltung mit den Verfolgern, die sich daraufhin stillschweigend zurückzogen, schritt O’Neal hierhin und dorthin, besah sich Gegenstände und kräuselte darob die Lippen. Es war überdeutlich, daß er auf etwas wartete, und dieses Etwas befand sich nicht im Zimmer und würde auch nicht zur Tür hereinschreiten, also stand ich auf und ging zum Telefon. Als ich es erreichte, klingelte es. Manchmal ist das Leben eben so.
Ich nahm ab.
»Graduiertenkolleg«, sagte eine rauhe Amerikanerstimme.
»Wer spricht bitte?«
»Sind Sie’s, O’Neal?« Die Stimme klang leicht verärgert. Man hätte den Mann nur ungern gebeten, einem den Zucker rüberzuschieben.
»Nein, aber O’Neal steht neben mir«, sagte ich. »Wer spricht da bitte?«
»Verdammt noch mal, geben Sie mir O’Neal, klar?«, sagte die Stimme. Ich drehte mich um und sah, daß O’Neal mit ausgestreckter Hand auf mich zukam.
»Lernen Sie erst mal Manieren«, sagte ich und legte auf.
Nach kurzer Totenstille passierte alles auf einmal. Solomon führte mich zum Sofa zurück, nicht direkt grob, aber auch nicht direkt sanft, O’Neal schrie die Verfolger an, die Verfolger schrien sich gegenseitig an, und das Telefon klingelte erneut.
O’Neal schnappte sich den Hörer, fing sofort an mit der Schnur herumzufummeln, scheiterte aber kläglicher als bei den ersten Versuchen, meisterhafte Selbstbeherrschung auszustrahlen. In seiner Welt gab es offenbar sehr viel kleinere Fische als den rauhen Amerikaner am anderen Ende der Leitung.
Solomon schubste mich wieder neben Sarah, die angewidert von mir abrückte. Es ist schon allerhand, in den eigenen vier Wänden von so vielen Menschen gehaßt zu werden.
O’Neal nickte und jahte eine gute Minute lang, dann legte er bedächtig den Hörer auf.
»Miss Woolf«, sagte er so höflich er konnte, »Sie sollen sich schnellstmöglich bei einem Mr Russell Barnes in der amerikanischen Botschaft einfinden. Einer der Herren hier wird Sie fahren.« Er sah beiseite, als erwartete er, sie würde sofort aufspringen und verschwinden. Sarah tat nichts dergleichen.
»Meinetwegen können Sie sich einen Deckenfluter achtkantig in den Arsch rammen«, sagte sie.
Ich lachte.
Zufälligerweise lachte sonst keiner, und O’Neal feuerte einen seiner immer berühmteren Blicke auf mich ab. Aber Sarah funkelte ihn immer noch biestig an.
»Ich will wissen, was mit diesem Kerl hier geschieht«, sagte sie.
Ihr Kopf wies ruckartig in meine Richtung, also hörte ich lieber auf zu lachen.
»Um Mr Lang werden wir uns kümmern, Miss Woolf«, sagte O’Neal. »Sie haben eine Verpflichtung Ihrem Außenministerium gegenüber, also …«
»Sie sind nicht von der Polizei, stimmt’s?«, sagte sie. O’Neal blickte sie unbehaglich an.
»Nein, wir sind nicht von der Polizei«, sagte er vorsichtig.
»Nun, ich verlange, daß die Polizei herkommt und diesen Mann hier wegen versuchten Mordes verhaftet. Er wollte meinen Vater umbringen, und allem Anschein nach wird er es wieder versuchen.«
O’Neal sah erst sie an, dann mich, schließlich Solomon. Er schien Hilfe von uns zu erwarten, aber ich glaube, er bekam keine.
»Miss Woolf, man hat mich befugt, Sie darüber in Kenntnis zu setzen …«
Er stockte, als könnte er sich nicht mehr erinnern, ob er wirklich befugt worden war, und wenn ja, ob es dem Fuger ernst gewesen war. Er rümpfte kurz die Nase und entschied sich dann weiterzumachen.
»Man hat mich befugt, Sie darüber in Kenntnis zu setzen, daß Ihr Vater zum gegenwärtigen Zeitpunkt Gegenstand einer Ermittlung von Regierungsbehörden der Vereinigten Staaten ist, denen meine Abteilung
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