Bockmist
Plastikwaren produzieren, und ob man was dagegen habe, wenn er in Schottland und Nordostengland ein halbes Dutzend Fabriken hochziehe. In der Handelskammer kippen ein paar Leute vor Begeisterung hintenüber und bieten ihm zweihundert Millionen an Subventionen sowie eine Anliegerparkerlaubnis in Chelsea. Ich weiß nicht genau, was davon mehr wert ist.«
Solomon trank einen Schluck Bier und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Er redete sich zunehmend in Rage.
»Einige Zeit vergeht. Der Scheck wird eingelöst, die Fabriken werden gebaut, und in Whitehall klingelt ein Telefon. Ferngespräch aus Washington, D.C. Ob wir wüßten, daß ein reicher Industrieller, der Plastikkram herstelle, überdies im großen Stil mit Opium aus Asien handele? Ach du liebes Lottchen, nein, wüßten wir nicht, herzlichen Dank, daß Sie Bescheid sagen, und grüßen Sie doch bitte Frau und Kinder. Panik. Reicher Industrieller sitzt inzwischen auf einem großen Sack von unserm Geld und hält dreitausend britische Staatsbürger in Lohn und Brot.«
An dieser Stelle schien Solomon die Energie auszugehen, als wäre es zuviel gewesen, seinen Zorn zu beherrschen. Aber ich konnte mich nicht zurückhalten.
»Und?«
»Ein Komitee aus nicht gerade weisen Männern und Frauen steckt die fetten Köpfe zusammen und bekakelt mögliche Strategien. Auf der Liste stehen schließlich Nichtstun, Nichtstun, Nichtstun und ein Notruf mit der Nummer der Firma Horch und Guck. Sicher sind sie nur, daß der letzte Plan ihnen gar nicht schmeckt.«
»Und O’Neal …?«
»O’Neal bekommt den Job. Observation. Abwehr. Schadensbegrenzung, nennt das vermaledeite Ding, wie Ihr wollt.« Für Solomon fiel »Vermaledeit« schon unter Fluchen. »Selbstverständlich hat nichts davon auch nur entfernt mit Alexander Woolf zu tun.«
»Selbstverständlich nicht«, sagte ich. »Wo steckt Woolf im Moment?«
Solomon sah auf die Uhr.
»Im Moment sitzt er auf Platz 6C an Bord einer Boeing 747 der British Airways aus Washington nach London. Wenn er Geschmack hat, wählt er das Beef Wellington. Er könnte Fisch bevorzugen, aber ich kann es mir nicht recht vorstellen.«
»Und der Film?«
»Während du schliefst.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte ich.
»Gott steckt im Detail, Master. Bloß weil der Job schlecht ist, muß ich ihn noch lange nicht schlecht erledigen.«
Schweigend und entspannt schlürften wir Bier vor uns hin. Aber ich konnte mich noch immer nicht bremsen.
»David?«
»Ich stehe zu Eurer Verfügung, Master.«
»Würde es dir etwas ausmachen, mir zu verklickern, was das Ganze mit mir zu tun hat?« Er sah mich an, als wollte er sagen: »Das müßtest du doch am allerbesten wissen«, also ließ ich ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich meine, wer will seinen Tod, und warum soll es so aussehen, als ob ich der Mörder wäre?«
Solomon leerte sein Glas.
»Warum weiß ich nicht«, sagte er. »Was das ›Wer‹ angeht, so haben wir die CIA im Verdacht.«
In der Nacht wälzte ich mich ein bißchen hin, warf mich ein bißchen her und stand zweimal auf, um meinem steuerlich absetzbaren Diktaphon idiotische Monologe über den Spielstand zu halten. Bei der Angelegenheit gab es so manches, was mir nicht aus dem Kopf ging, manches, was mir angst machte, aber hauptsächlich ging mir Sarah Woolf durch den Kopf und wollte absolut nicht stillsitzen.
Ich war nicht in sie verknallt, verstehen Sie mich nicht falsch. Wie denn auch? Schließlich hatte ich nur wenige Stunden in ihrer Gesellschaft verbracht und keine davon unter sonderlich angenehmen Begleitumständen. Nein, ich war definitiv nicht in sie verknallt. Dafür braucht man schon mehr als ein Paar leuchtend graue Augen und eine lockige, dunkelbraune Mähne.
Heiliger Strohsack.
Um neun Uhr am nächsten Morgen band ich mir die Garrick-Krawatte um, streifte den knopfarmen Blazer über, und um halb zehn klingelte ich bei der Auskunftsstelle der National Westminster Bank am Swiss Cottage. Ich hatte mir keinen genauen Plan zurechtgelegt, dachte aber, es könnte meine Kampfmoral stärken, wenn ich meinem Bankmanager zum ersten Mal in zehn Jahren ins Auge sah, selbst wenn das Geld auf meinem Konto nicht mir gehörte.
Man führte mich in ein Wartezimmer vor dem Büro des Managers und reichte mir einen Plastikbecher mit Plastikkaffee, der viel zu heiß zum Trinken war und eine Hundertstelsekunde später viel zu kalt. Ich wollte ihn gerade hinter einem Gummibaum entsorgen, als ein neunjähriger Rotschopf seinen
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