Bockmist
gegen den Rest der Welt beherbergte und an der vierten eine Reihe von hölzernen Aktenschränken. Auf dem Schreibtisch stand ein Foto von drei Teenagern, die aussahen, als wären sie per Katalog bestellt worden, und daneben ein signiertes Bild von Denis Thatcher. Ich hatte die eigentümliche Tatsache noch nicht ganz verdaut, daß beide Fotos vom Tisch wegzeigten, als sich eine Verbindungstür öffnete und ich mich plötzlich in Spencers Gegenwart befand.
Und was für eine Gegenwart das war. Er war eine vergrößerte Ausgabe von Rex Harrison, hatte graumeliertes Haar, trug eine Lesebrille und ein Hemd, das so strahlend leuchtete, daß es direkt ans Stromnetz angeschlossen sein mußte. Ich sah gar nicht, wie er die Stoppuhr in Gang setzte, als er Platz nahm.
»Tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen, Mr Fincham. Bitte nehmen Sie doch Platz.«
Er machte eine ausladende Gebärde durchs Zimmer, als sollte ich mir einen Stuhl aussuchen, aber es gab nur einen. Ich setzte mich und sprang wie von der Tarantel gestochen wieder hoch, als der Stuhl den Klageschrei knarzenden, splitternden Holzes ausstieß. Es war so laut und klang so gequält, daß ich mir vorstellte, wie die Leute unten auf der Straße stehenblieben, zu Spencers Fenster hochsahen und überlegten, ob sie einen Bobby rufen sollten. Spencer schien es gar nicht zu registrieren.
»Kann mich gar nicht erinnern, Sie im Club gesehen zu haben«, sagte er und lächelte kostspielig.
Unter neuem Aufbrüllen des Stuhls setzte ich mich wieder und versuchte eine Haltung zu finden, die über dem schreienden Holz ein halbwegs vernehmliches Gespräch erlaubte.
»Club?«, fragte ich und sah an mir hinab, als er auf meine Krawatte deutete. »Ach, Sie meinen den Garrick?«
Er nickte, immer noch lächelnd.
»Nun ja«, sagte ich, »ich komme nicht mehr so oft in die Stadt, wie ich gern würde.« Ich machte eine Geste, die ein paar tausend Morgen in Wiltshire und haufenweise Labradors andeutete. Er nickte, als könnte er sich den Landsitz nur zu gut vorstellen und hätte Lust, zur Jause vorbeizuschauen, wenn er mal wieder in der Gegend wäre.
»Alsdann«, sagte er, »was kann ich für Sie tun?«
»Nun, es handelt sich um eine ziemlich delikate …«, begann ich.
Er unterbrach mich aalglatt: »Mr Fincham, sobald der Tag anbricht, an dem ein Klient oder eine Klientin an mich herantritt und sagt, die Angelegenheit, in der er oder sie mich um Rat ersuche, sei nicht delikat, hänge ich meine Perücke an den Nagel.« Seinem Gesichtsausdruck entnahm ich, daß das als Bonmot aufzufassen war. Mir fiel dazu nur ein, daß es mich wahrscheinlich dreißig Pfund gekostet hatte.
»Na, da bin ich ja beruhigt«, sagte ich und nahm den Witz als solchen zur Kenntnis. Wir lächelten uns gemütlich an. »Tatsache ist«, nahm ich den Faden wieder auf, »daß ein Freund mir neulich erzählt hat, Sie seien überaus behilflich gewesen, ihm einige Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten vorzustellen.«
Die kurze Pause kam nicht ganz unerwartet.
»Verstehe«, sagte Spencer. Sein Lächeln verblaßte etwas, er nahm die Brille ab und hob das Kinn um fünf Grad. »Dürfte ich wohl den Namen dieses Freundes erfahren?«
»Vorläufig würde ich ihn gern für mich behalten. Er sagte, er habe … eine Art Leibwächter gebraucht, jemanden, der bereit und imstande sei, ziemlich unkonventionelle Aufträge auszuführen, und Sie hätten ihn mit einigen Namen versehen können.«
Spencer lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte mich. Von Kopf bis Fuß. Mir war klar, daß das Gespräch im Grunde schon vorbei war und er nur noch nach der elegantesten Methode suchte, mich loszuwerden. Nach einer Weile holte er durch die wie in Marmor gemeißelte Nase langsam Luft.
»Womöglich«, sagte er, »haben Sie die von uns angebotenen Leistungen mißverstanden, Mr Fincham. Wir sind eine Anwaltskanzlei. Advokaten. Wir plädieren in Rechtsstreitigkeiten vor Gericht. Das ist unsere Funktion. Wir sind keine Stellenvermittlung, und ich glaube, daß sich an diesem Punkt ein Mißverständnis eingeschlichen hat. Wenn wir Ihrem Freund behilflich sein konnten, so soll es mich freuen. Aber ich hoffe und glaube, daß es mehr mit der von uns angebotenen Rechtsberatung zu tun hatte als mit etwaigen Empfehlungen bezüglich der Einstellung von Personal.« In seinem Mund hatte »Personal« einen ziemlich häßlichen Unterton. »Wäre es nicht einfacher für Sie, Ihren Freund zu kontaktieren, um an die von Ihnen
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