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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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holen.
    Ich wußte, daß er nicht reden durfte. Ich wußte, daß ich ihm sagen mußte, er solle schweigen und seine Kräfte schonen, aber ich schaffte es nicht. Ich wollte, daß er redete. Irgend etwas sagte. Wie schlecht es ihm gehe, wer hinter der ganzen Sache stecke, wo Sarah sei, was er von den Rennen in Doncaster halte. Irgend etwas, das mit Leben zu tun hatte.
    »Bin ich was?«, fragte ich.
    »Sind Sie ein guter Mensch?«
    Ich glaube, er lächelte.
    Ich verharrte einige Zeit so, sah ihn an und überlegte, was ich machen sollte. Wenn ich ihn bewegte, starb er vielleicht. Wenn ich ihn nicht bewegte, starb er auf jeden Fall. Ich glaube, insgeheim wollte ich sogar, daß er starb, damit ich machen konnte, was ich wollte. Rache nehmen. Weglaufen. Sauer werden.
    Und dann ließ ich urplötzlich, fast ohne es zu merken, seine Hände fahren, griff nach der Glock und glitt so tief gebückt wie möglich beiseite.
    Denn an der Klinke rüttelte jemand.
     
    Der Stuhl hielt den ersten paar Stößen stand und kippte dann weg, nachdem ein Tritt gegen die Klinke krachte. Die Tür flog auf, und ein Mann erschien, größer als in meiner Erinnerung, weswegen ich ihn erst nach einigen Sekundenbruchteilen als den Gestriegelten erkannte. Er zielte mit einer Waffe in die Zimmermitte. Woolf wollte aufstehen, vielleicht fiel er auch nur nach vorn, dann ertönte ein langes, lautes Krachen, das in einer Folge flacher Knalle verklang, weil ich sechs Schüsse auf Kopf und Rumpf des Gestriegelten abgab. Er stürzte rücklings in den Flur, ich folgte ihm und schoß dem Fallenden noch dreimal in die Brust. Dann trat ich ihm die Waffe aus der Hand und richtete die Glock auf seinen Kopf. Patronenhülsen kullerten durch den Flur.
    Ich ging ins Zimmer zurück. Woolf hatte sich zwei Meter von seinem letzten Aufenthaltsort entfernt und lag auf dem Rücken in einer sich ausbreitenden dunklen Pfütze. Ich verstand nicht, wie er so weit gekommen war, bis ich mich umsah und die Waffe des Gestriegelten erkannte.
    Es war eine MAC 10. Eine fiese Maschinenpistole im Westentaschenformat, der es ziemlich egal war, wen sie traf, und die ihr dreißigschüssiges Magazin in weniger als zwei Sekunden leeren konnte. Mit dem Großteil der dreißig hatte der Gestriegelte Woolf getroffen, und sie hatten ihn in Stücke gerissen.
    Ich bückte mich und schoß dem Gestriegelten noch einmal in den Mund.
     
    Ich brauchte eine Stunde, um das gesamte Gebäude vom Keller bis zum Dach abzusuchen. Als ich fertig war, wußte ich, daß es hinten an High Holborn grenzte, einst eine größere Versicherungsgesellschaft beherbergt hatte und heute so leerstand, wie leere Gebäude halt herumstehen. Was ich einigermaßen erwartet hatte. Schießereien ohne anschließende Polizeisirenen heißen meistens, daß niemand zu Hause ist.
    Die Glock mußte ich leider zurücklassen. Ich schleppte Richies Leiche in das Zimmer, wo Woolf lag, legte sie hin, wischte Kolben und Abzug der Glock an meinem Hemd ab und drückte sie Richie in die Hand. Dann griff ich nach der MAC, feuerte die letzten drei Patronen auf ihn ab und legte sie wieder neben den Gestriegelten.
    Mein Tableau ergab nicht viel Sinn. Aber das ist im richtigen Leben ja auch nicht anders, und ein verwirrender Tatort ist oft viel überzeugender als ein auf den ersten Blick durchschaubarer. Hoffte ich jedenfalls.
     
    Dann verkroch ich mich im Sovereign, einem schmuddeligen Bed and Breakfast in King’s Cross, blieb zwei Tage und drei Nächte dort, bis mein Kinn verschorft war und meine Blutergüsse die schillerndsten Farben angenommen hatten. Vor meinem Fenster dealte die britische Öffentlichkeit mit Crack, beschlief sich gegen Geld und lieferte sich besoffene Prügeleien, an die sie sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern konnte.
    Während ich dort lag, dachte ich viel an Helikopter und Waffen und an Alexander Woolf und an Sarah Woolf und an viele andere interessante Dinge.
     
    Bin ich ein guter Mensch?
     

9
     
    Gestiefelt, gespornt,
    jetzt zu Pferd und dann fort!
    BROWNING
     
    »Graduierten-… was?«
    Das Mädchen war hübsch, von der umwerfenden Sorte Schönheit, und ich fragte mich, wie lange sie es in ihrem derzeitigen Job wohl aushalten würde. Ich möchte behaupten, als Empfangsdame in der amerikanischen Botschaft am Grosvenor Square bekommt man ein anständiges Gehalt und Nylonstrümpfe bis Oberkante Unterlippe, aber es muß auch verschnarchter sein als die Etatrede vom vergangenen Jahr.
    »Graduiertenkolleg«, sagte

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