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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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Fabrikationsgeschick so entworfen worden, daß er sich nach Erreichen seines garantierten Kilometerstandes in winzige Einzelteile auflöste; was ich da von den Felgen wegklacken und springen hörte, waren vielleicht Teile des Fahrgestells.
    Dann hielten wir endlich. Ich wußte, daß es diesmal endgültig war, denn der Schuh Größe 47, der auf meinem Nacken gestanden hatte, erwachte soweit zum Leben, daß er sich hinweghob und aus dem Auto schwang. Ich sah hoch und spähte durch die offene Tür.
    Das war aber ein großes Haus. Ein sehr großes Haus. Sicher, am Ende einer solchen Auffahrt konnte man kaum ein Reihenhäuschen erwarten; trotzdem war es groß. Ich tippte auf spätes 19. Jahrhundert, aber mit Kopien aus früheren Zeiten, und die französischen Stilelemente hatte man ihm wahrscheinlich gratis nachgeschmissen. Gut, nicht geschmissen, sondern liebevoll hochgezogen und verfugt, verstäbt und gegehrt, abgeschrägt und ausgekehlt, vielleicht sogar von denselben Typen, die die Absperrung vor dem House of Commons errichtet hatten.
    Bei meinem Zahnarzt liegen alte Hefte von Country Life im Wartezimmer rum, also konnte ich mir ungefähr vorstellen, wieviel so ein Landhaus gekostet haben mußte. Vierzig Zimmer, eine Autostunde von London entfernt. Eine Geldsumme, die meine Phantasie überstieg. Die die verstiegenste Phantasie überstieg.
    Aus Spaß an der Freud’ hatte ich angefangen, die Glühbirnenzahl hochzurechnen, die man für so eine Hütte brauchte, als mich ein Carl am Kragen packte und wie eine Golftasche ohne Schläger aus dem Wagen lupfte.
     

13
     
    Jeder Mann über vierzig ist ein Halunke.
    GEORGE BERNARD SHAW
     
    Man führte mich in ein Zimmer. Ein rotes Zimmer. Rote Tapeten, rote Vorhänge, rote Teppiche. Man nannte es das Wohnzimmer, obwohl ich nicht verstand, warum man seine Funktionen auf das Wohnen beschränkte. Klar, in einem Zimmer dieser Größe konnte man unter anderem wohnen; man konnte darin aber auch Opern inszenieren, Fahrradrennen veranstalten und ein echt scharfes Frisbeespiel abhalten, alles zur gleichen Zeit und ohne auch nur ein Möbelstück zu verrücken. In einem so großen Zimmer konnten sich Regenwolken bilden.
    Ich stand eine Weile an der Tür herum, sah mir Gemälde an, Unterseiten von Aschenbechern, was man halt so macht, dann wurde mir das langweilig, und ich begab mich zum Kamin auf der anderen Seite. Auf halber Strecke mußte ich Pause machen und mich setzen, man ist ja schließlich nicht mehr der jüngste. Genau in dem Moment ging eine Flügeltür auf, und ein Carl und ein Hausmeistertyp in grau gestreifter Hose und schwarzem Jackett unterhielten sich im Flüsterton.
    Beide sahen gelegentlich in meine Richtung, dann nickte der Carl und verließ das Zimmer.
    Der Hausmeister kam wie von ungefähr auf mich zu. An der Zweihundertmetermarke rief er:
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mr Lang?«
    Das ließ ich mich nicht zweimal fragen.
    »Scotch bitte«, rief ich zurück.
    Das würde ihm eine Lehre sein.
    Bei der Hundertmetermarke blieb er an einem der unzähligen Tische stehen, öffnete ein silbernes Kästchen und entnahm ihm eine Zigarette, ohne sich erst zu vergewissern, ob welche drin waren. Er zündete sie an und nahm seine Wanderung wieder auf.
    Beim Näherkommen sah ich, daß er Mitte fünfzig war, salongepflegt gutaussehend und daß sein Gesicht einen fremdartigen Glanz hatte. Der Widerschein von Stehlampen und Kronleuchtern zog über seine Stirn, so daß er beim Gehen zu funkeln schien. Instinktiv wußte ich jedoch, daß das weder Schweiß noch Talg war; es war einfach ein Glanz.
    Als er nur noch zehn Meter vor sich hatte, lächelte er mir zu und hielt beim Endspurt die Hand ausgestreckt, so daß ich, ohne es recht zu wollen, hochschnellte, um ihn wie einen alten Freund zu begrüßen.
    Sein Händedruck war warm, aber trocken, er faßte mich am Ellbogen, führte mich zum Sofa zurück und ließ sich neben mir nieder, so daß sich unsere Knie fast berührten. Ich muß schon sagen, wenn er seinen Besuchern immer so auf den Pelz rückte, lohnte sich das Zimmer für ihn gar nicht.
    »Mörder«, sagte er.
    Pause. Sie verstehen sicher, warum.
    »Wie bitte?«, fragte ich.
    »Naimh Murdah«, sagte er und wartete geduldig, während ich im Kopf die Schreibweise zusammenklaubte. »Sehr erfreut. Wirklich sehr erfreut.«
    Er sprach leise und kultiviert. Ich hatte das Gefühl, daß er ein weiteres Dutzend Sprachen ebenso fließend sprach. Er schnippte Zigarettenasche in

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