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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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gähnen.
    Am zehnten Abend brachte man mich in ein weißes Zimmer, fotografierte mich aus hundert verschiedenen Richtungen, dann gab man mir Gürtel, Schnürsenkel und Armbanduhr zurück. Man bot mir sogar ein Rasiermesser an, aber da der Griff schärfer als die Klinge aussah und mein Bart mir bei der Metamorphose wie gerufen kam, lehnte ich ab.
    Draußen war es dunkel, kalt und dunkel, und ein schwacher Regen à la »Eigentlich hab’ ich null Bock, heute abend zu regnen« fiel. Ich ging langsam, als wäre mir der Regen genauso egal wie alles andere, was das Leben auf Erden mir zu bieten hatte, und hoffte, daß ich nicht so lange warten mußte.
    Ich mußte überhaupt nicht warten.
    Es war ein dunkelgrüner Porsche 911, und es war keine intellektuelle Glanzleistung, ihn auszumachen, denn Porsches waren auf den Straßen von Prag so dünn gesät wie ich. Er juckelte hundert Meter neben mir her, dann entschloß er sich zu irgendwas, raste ans Ende der Straße und hielt an. Als ich auf vielleicht zehn Meter herangekommen war, wurde die Beifahrertür geöffnet. Ich wurde langsamer, sah mich nach allen Seiten um und bückte mich, um mir den Fahrer anzuschauen.
    Er war Mitte vierzig, hatte einen kantigen Unterkiefer und schick ergrauendes Haar, und die Marketingfritzen von Porsche hätten ihn bestimmt liebend gern als »unseren typischen Kunden« vorgestellt, falls er je ihr Kunde gewesen war, was ich mir angesichts seines Berufs nicht recht vorstellen konnte. Aber im Moment sollte mir sein Beruf natürlich noch unbekannt sein.
    »Kann ich Sie mitnehmen?« fragte er. Konnte überall herstammen – stammte wahrscheinlich überall her. Er sah, wie ich mir ihn oder sein Angebot durch den Kopf gehen ließ, also lächelte er, um letzteres zu bekräftigen. Sehr gute Zähne.
    Ich warf einen Blick auf den winzigen Rücksitz, auf den sich das T-Shirt gequetscht hatte. Jetzt trug er freilich kein T-Shirt mehr, sondern ein grellrotes, frisch gebügeltes Etwas. Er genoß kurz meine Überraschung, dann nickte er mir zu – halb »Hallo«, halb »Mach endlich« –, und nachdem ich eingestiegen war, ließ der Fahrer in einer spielerischen Bewegung die Kupplung kommen und trat aufs Gas, so daß ich Schwierigkeiten hatte, die Tür zu schließen. Die beiden amüsierten sich anscheinend ganz köstlich darüber. Das T-Shirt, dessen Name ganz bestimmt nicht Hugo war und nie gewesen war, hielt mir ein Päckchen Dunhill unter die Nase, ich nahm mir eine und drückte auf den Zigarettenanzünder am Armaturenbrett.
    »Wo soll’s denn hingehen?«, fragte der Fahrer.
    Ich zog die Schultern hoch und fragte: »Wie wär’s mit der Stadtmitte?« Aber es war völlig egal. Er nickte und summte weiter vor sich hin. Puccini, glaub’ ich. Kann auch Take That gewesen sein. Ich saß da, rauchte und sagte nichts, als passierte mir so etwas alle Tage.
    »Ach, übrigens«, sagte der Fahrer schließlich, »ich heiße Greg.« Er lächelte, und ich dachte, wie solltest du auch sonst heißen?
    Er nahm eine Hand vom Lenkrad und hielt sie mir hin. Wir schüttelten uns kurz, aber freundlich die Hände, und ich wartete etwas, einfach um zu zeigen, daß ich mein eigener Herr war und sprach, wenn ich Lust dazu hatte und keine Sekunde früher.
    Nach einiger Zeit drehte er sich zu mir. Ein drängender Blick. Nicht mehr so freundlich. Also antwortete ich.
    »Ich heiße Ricky«, sagte ich.
     

 
 
 
 
TEIL ZWEI
     

17
     
    Das ist doch nicht Ihr Ernst!
    JOHN MCENROE
     
    Ich bin jetzt Teil einer Kolonne. Eines Kollektivs. Und einer Kaste. Wir kommen aus sechs Nationen, drei Kontinenten, vier Religionen und zwei Geschlechtern. Wir sind ein glücklich Volk von Brüdern, mit einer Schwester, die auch glücklich ist und ihr eigenes Badezimmer hat.
    Wir arbeiten hart, spielen hart, trinken hart und schlafen sogar hart. Wir sind einfach hart. Wenn wir mit Waffen umgehen, dann wissen wir, wie man mit Waffen umgeht, und wenn wir Politik diskutieren, dann sehen wir die Dinge global.
    Wir sind Das Schwert der Gerechtigkeit.
     
    Wir wechseln alle paar Wochen das Camp, und bisher wurden wir mit allen Wassern Libyens, Bulgariens, South Carolinas und Surinams gewaschen. Mit dem Trinkwasser sieht das natürlich ganz anders aus; das beziehen wir in Plastikflaschen, die genauso wie Schokolade und Zigaretten zweimal pro Woche eingeflogen werden. Gegenwärtig scheint sich Das Schwert der Gerechtigkeit auf Badoit »mit wenig Kohlensäure« geeinigt zu haben, weil es damit der sprudelnden

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