Bodenrausch
fließt der Blaue Nil in Richtung Sudan. Auch Äthiopiens Regierung will die Gunst der Stunde nutzen, um die rückständige Landwirtschaft nach vorn zu bringen, auch dabei spielen ausländische Investitionen eine zentrale Rolle. An Bauern wie Asfa Zeleke in den Bergen von Lalibela geht dieser Fortschritt vorbei.
Die Berge von Lalibela sind steiniges Terrain. Der Acker von Asfa Zeleke macht da keine Ausnahme. Im Frühjahr zieht er mit Holzpflug und Ochsen seine Furchen auf dem unwilligen Boden. Was er erntet, reicht nicht, um seine Familie zu ernähren. Was er bräuchte, wäre etwas Geld für Dünger und besseres Saatgut. Aber Kleinbauern wie ihm wird hier nichts geschenkt und auch nichts geliehen, weil er keine Sicherheit zu bieten hat, denn das Land, das er nutzt, gehört offiziell dem Staat, und nicht nur das seine, in ganz Äthiopien gibt es offiziell nur einen Landeigentümer, die Regierung. 51
Die hat ebenso wie im Sudan mit den Kleinbauern nichts im Sinn. Sie hat sich zwar über zwei Jahrzehnte bei der internationalen Gemeinschaft mehr als 30 Milliarden Dollar abgeholt, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen, aber die Basis des Landes, die Landwirtschaft, hat davon nicht profitiert. Im Gegenteil, »das ländliche Leben in Äthiopien hat sich gegenüber dem Stand von 1900 nicht verändert«, urteilt die Ethiopian Review . Verantwortlich dafür ist vor allem die Landpolitik, die den Kleinlandwirten hartnäckig ihr Recht auf Eigentum verweigert, auch wenn dies von internationalen Studien als Haupthindernis für die ländliche Entwicklung gebrandmarkt wird. 52 Hinzu kommt eine Förderpolitik, die immer mehr an den Kleinbauern vorbeigeht.
Landwirtschaftliche Entwicklung buchstabiert die Zentralregierung in Addis Abeba anders. Sie setzt auf Investitionen von außen, auf das große Geld von landhungrigen und risikobereiten Investoren. Denen bietet sie das Land zum Nulltarif, verzichtet auf die sonst übliche Steuer von 20 US-Dollar pro Hektar und erlaubt den auflagenfreien Export aller Gewinne und Erträge in der Hoffnung, über die Jahre eine industrielle landwirtschaftliche Grundausstattung zu bekommen. Der Erfolg dieser Strategie spricht für sich, die Investitionen stiegen von 135 Millionen im Jahr 2000 auf 3,5 Milliarden in Jahr 2008, und damit um mehr als das 26-Fache. 53
Auch die Weltbank fördert diese Entwicklung nach Kräften und hat ihr »Private Sector Development Programme« 2009 für Äthiopien auf 1,14 Milliarden Dollar verdoppelt. 54
Das Ergebnis dieser Bemühungen ist Hightech-Landwirtschaft in einem Lowtech-Umfeld, zum Beispiel die Gewächshäuser von Awassa.
Etwa 200 Kilometer von Addis Abeba entfernt biegt der Jeep von der Straße ab. Es geht vorbei an Sicherheitsposten durch ein Niemandsland. Erst nach einigen Kurven und Kilometern am Rande des Rift Valley taucht ein Stahlgerippe auf, mit Plastik bespannt, ein Tunnel von 500 Meter Länge, das größte Gewächshaus der Region, das Firmenschild weist hier die »Awassa Greenhouses« aus.
Die größte Gemüsefabrik des Landes, 20 Hektar unter Plastik. Luftzufuhr, Wasserstand und Düngergaben berechnet ein Computer. Tomaten, Paprika, Lauch und Gemüse bieten Arbeit für 1000 Frauen. Sie ernten und verpacken für die Märkte in Dubai, Jeddah und den Emiraten. First-Class-Produkte für die First-Class-Gastronomie. Nichts für die Arbeiterinnen, ihnen ist der Zugriff verboten. Sie leben vom kargen Lohn, mit dem sie gerade so über die Runden kommen. Der Investor im Hintergrund ist der Milliardär und Geschäftsmann Scheich Mohammed Al Amoudi, er gehört zu den 50 reichsten Männern der Welt. Ein Mann mit großen Plänen, 2 Milliarden will er in die Entwicklung von 500000 Hektar Ackerland in Äthiopien stecken und 10000 ehemalige Kleinbauern beschäftigen. 55
Allerdings eher zu Hungerlöhnen, weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag ist der Standard, 50 US-Dollar pro Monat, das liegt unterhalb der von der Weltbank festgelegten Armutsgrenze.
Gewinne sind unter diesen Bedingungen garantiert. Auch für den indischen Konzern Karuturi Global Ltd., er investiert in 300000 Hektar, seine Gewinnerwartung liegt bei 100 Millionen US-Dollar pro Jahr. 56
Über der Niederlassung des Konzerns in Äthiopien hängt das Firmenschild mit der Aufschrift »Karuturi Agro Products«. In der Region Bako entsteht eine Farm mit über 12000 Hektar Größe. Mais, Reis und Ölfrüchte sollen hier wachsen.
In der Ebene geben sich ein paar Lehmhütten gegenseitig
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