Bodenrausch
Halt, Kleinbauern wie Abeto Fekado versuchen, hier zu überleben, aber seit Karuturi Agro Products ihr Land unter den Pflug genommen hat, geht es ihm schlecht, denn ein Teil davon war sein Land, und zwar das fruchtbarste. Die Regierung hat es ihm einfach abgenommen und Karuturi gegeben. Dass das Land schon von seinen Vater gepflügt wurde, interessierte die neuen Eigentümer nicht. Auch nicht, dass er auf dem Rest gar nicht genug ernten kann, um seine Familie zu ernähren. So bleibt ihm und den anderen Bauern nur, Arbeit als Tagelöhner auf der Großfarm anzunehmen. Aber auch dort stimmt der Lohn nicht, es gibt 16 Euro im Monat, das ist ein Skandal, den der Journalist Christian Brüser bei seiner Betriebsbesichtigung aufdeckte. 57
Eine Beschwerde der 200 betroffenen Familien über die Vertreibung von ihrem Land bei der Regionalregierung hatte keinen Erfolg. Auf Nachfrage ließ der Chef der Informationsagentur des äthiopischen Landwirtschaftsministers lediglich mitteilen, es könne gar keine Vertreibung von Bauern geben. Schließlich stelle die Regierung nur 3,6 Millionen Hektar für ausländische Investoren bereit, und 50 Millionen Hektar lägen noch brach. Bei so viel Landreserve habe jeder genug, auch die Bauern von Bako. Das allerdings bezweifelt Michael Taylor von der International Land Coalition. Wenn es in Afrika ungenutztes Land gebe, dann habe das ganz einfache Gründe, entweder es diene als Viehweide oder es liege brach, um sich zu erholen und seine Nährstoffe wieder aufzustocken. 58
Die um sich greifende Landnahme in Äthiopien führte immerhin zu einer unerwarteten Reaktion. Der Präsident Äthiopiens, Girma Wolde-Giorgis, schrieb zu Jahresbeginn 2011 einen Brief an den Landwirtschaftsminister, in dem er ihn aufforderte, dem indischen Unternehmen Vedanta Harvest PVH, dem bereits 3010 Hektar in einem Waldschutzgebiet zugesprochen waren, die Genehmigung wieder zu entziehen. Doch wie The Indian Ocean Newsletter am 19. Februar 2011 berichtete, nahm der Landwirtschaftsminister Tefera Argaw keine Notiz davon. Stattdessen setzte er sein großflächiges Indiengeschäft fort und bot dem Konzern Karuturi für eine Plantage an der sudanesischen Grenze weiteres Land für 90 Jahre zur Pacht an. Besonders erfreulich für den Investor ist der Tatbestand, dass dieses Land in den ersten sechs Jahren pachtfrei abgegeben wird und später nur 1,18 US-Dollar pro Hektar und Jahr kosten soll. Man muss nicht den Pachtpreis von 400 Euro für die gleiche Fläche in Deutschland danebenstellen, um zu erkennen, worum es sich bei diesem Geschäft handelt.
In unmittelbarer Nachbarschaft von Sudan und Äthiopien liegt Kenia. Was die Staaten jenseits der Grenzen verbindet, sind der Nil, die Armut und der Hunger ihrer Bevölkerung.
Kenias chronischer Hunger
Das Wasser des Nils berührt Kenia an den Ufern des Viktoriasees. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren sie gesäumt mit wohlhabenden Fischerdörfern. In Einbäumen mit Segeln zogen die Männer hinaus zum Fang, und der war reichlich. Bis der Nilbarsch, der von weißen Siedlern in den 1960er-Jahren eingesetzt worden war, sich im See explosiv vermehrte, weil er keinen Feind hatte. Nicht einmal die Fischer, denn deren Netze waren auf die Größe und Kraft dieses Raubfischs nicht ausgelegt. So fraß der Barsch die Fischschwärme des Sees, soweit er sie erwischen konnte.
Wer in den 1990er-Jahren an den See kam, traf dort auf nichts als Armut. Die Fischerflotten waren auf wenige Einbäume zusammengeschrumpft. Die Segel der Schiffe bestanden aus ausgedienten Plastiksäcken, und in den Netzen zappelten kaum noch Fische, und wenn, dann waren es Miniaturen. Arbeit gab es nur für wenige in der örtlichen Fischfabrik, die den Barsch fangen ließ und zu Filets für Europa verarbeitete. Der Viktoriabarsch hatte die Fischer in die Armut getrieben, er war sozusagen der Vorläufer für den Fortschritt auf See, der auf dem Lande sollte erst nach der Jahrtausendwende kommen. Allerdings nicht, um die Armut zu beseitigen, die sich vor allem auf dem Land festgesetzt hat. Von den rund 36 Millionen Einwohnern Kenias fehlt es 10 Millionen Menschen am Nötigsten. 2 Millionen kämen ohne Nahrungsmittelhilfe gar nicht über den Tag, ein Drittel ist chronisch unterernährt.
Von der Landwirtschaft leben 80 Prozent, die meisten eher schlecht als recht. Fruchtbarer Boden ist knapp, 2 Hektar pro Familie müssen für die Ernährung reichen, aber in Dürrejahren ist das nicht genug, auch nicht, wenn
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