Bodenrausch
Land und Forst unter diesem Programm bewirtschaftet, meist von ausländischen Investoren. So habe sich 2008 in der Provinz Jambi ein britisches Unternehmen eingekauft, um einen Naturschutzpark zu errichten. 9000 Familien mussten dem Projekt weichen, obwohl es um das Land ihrer Vorfahren ging. Weil sie keine Landtitel besaßen, bekamen sie auch keine Entschädigung. 41
Von den 21 Millionen Armen in Indonesien leben fast 20 Millionen auf dem Land als Kleinbauern und Landarbeiter, und die ländliche Armut wächst um jährlich mehr als 2 Prozent, stellte Yulian Junaidi Jasuan bei seiner Untersuchung über die jüngsten Folgen des Landraubs in Indonesien fest.
Ob Indonesien, die Philippinen, Kambodscha oder Laos, alle haben einen gemeinsamen Nenner, es ist die Farbe, mit der sie in der Weltkarte der Korruption verzeichnet sind. Alle leuchten in grellem Rot, was nichts anderes heißt, als dass ihre Regierungen der Bestechung Tür und Tor geöffnet haben. Das ist übrigens auch ihre Gemeinsamkeit mit den Staaten Afrikas, denen wir uns nun zuwenden. Auch dort sucht man Good Governance vergebens, wo das eigene Land vorbei an der Bevölkerung zu Markte getragen wird.
GERANGEL UM AFRIKA
Das Gerangel um den afrikanischen Boden beginnt südlich der Sahara. Hier registrierte die Weltbank 2010 die Hälfte aller Transaktionen auf dem Weltbodenmarkt. Abkommen über 32 Millionen Hektar gingen dort allein zwischen dem 1. Oktober 2008 und dem 31. August 2009 über den Verhandlungstisch, ein Viertel umfasste Verträge über mehr als 200000 Hektar, der Schnitt lag bei 40000 Hektar. Im Dezember 2011 brachten Studien neue Zahlen ans Licht: Mittlerweile seien 134 Millionen Hektar afrikanisches Land an Investoren verkauft oder verpachtet. 42
Schon die bloße Größe macht klar, dass hier keine Farmen, sondern Agrarfabriken geplant werden. Industrien, die Agrosprit, Blumen, Gummi, Baumwolle, Weizen, Mais, Reis und Zucker produzieren, allesamt begehrte Produkte für den Weltmarkt. Die Grundlagen der afrikanischen Küche wie Hirse, Maniok, Erbsen und Bohnen finden sich nicht auf den Anbauplänen. 43
Es geht um Bodenfruchtbarkeit, aber vor allem um Wasser, um Quellen und Flüsse, um Seen und Grundwasserreserven. Afrika südlich der Sahara soll nicht nur die Kornkammer der Welt werden, sondern auch ihr Wasserreservoir.
Verschärft wird die Lage durch das afrikanische Bodenrecht. Das Land gehört zu mehr als 90 Prozent dem Staat und müsste von ihm im Interesse seiner Bürger und Bauern verwaltet werden. Doch diese Verantwortung wird für mehr als 90 Prozent der Fläche nicht wahrgenommen oder ins Gegenteil verkehrt. Hinzu kommt, dass es im Streitfall kaum oder keine Instanzen gibt, die Recht sprechen könnten. 44
Im Gegensatz zu Südamerika oder Asien ist der Boden in Afrika ein rechtsfreier Raum. Recht hat, wer an der Macht ist, und Macht ist für viele afrikanische Regierungen eine Frage von Gewalt und Waffen. Hinzu kommt, dass die Stämme Afrikas, die meist untereinander verfeindet sind, mit ihren Nachbarn das Land teilen müssen, das ihnen nicht gehört. Im Konfliktfall entscheiden eher Blut und Verwandtschaft, wer auf seinem Land bleiben darf oder vertrieben wird.
Das ist kein guter Boden für Bauern, Hirten, Fischer und Nomaden. Aber es ist der ideale Grund für die Landhungrigen, noch dazu, wo Afrika sein Land, verglichen mit anderen Regionen der Welt, zu Spottpreisen auf den Markt wirft. Angebote von 5 Dollar pro Hektar hören sich nach Ausverkauf an und sind es wohl auch. Und wenn dies noch nicht reicht – ein Argument kann die Wankelmütigen überzeugen: Alles, was zwischen Khartum und Harare an Land angepriesen wird, wird von den einheimischen Bauern und Hirten nicht genutzt, so behaupten jedenfalls die jeweiligen Regierungen, und die Arbeitskräfte sind fast umsonst. 45
Andererseits ist Afrikas Boden mehr als ein Wirtschaftsgut oder eine Privatsache. Das Land ist Teil der eigenen Identität, Heimat auch in einem spirituellen Sinn. Es ist der Ort der Ahnen, der Familien, der Stämme. Die Afrikanische Union hält diese Besonderheit in ihren Leitlinien zur Landpolitik fest und formuliert: »Von der Mehrheit der Gesellschaften in Afrika wird Land nicht einfach als ein wirtschaftliches und ökologisches Gut angesehen, sondern als eine soziale, kulturelle und sinnstiftende Kraft. Land bleibt ein wesentlicher Faktor in der Konstruktion einer sozialen Identität, bei der Organisation des religiösen Lebens und der
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