Bodenrausch
anfangs viel Wasser braucht, um einigermaßen zu gedeihen. Sein Resümee: »Dies ist kein Gewächs für karges Land, es braucht Dünger, Wasser und gute Betreuung.« 77
In verschiedenen afrikanischen Nachbarländern ist eine gemeinsame Anti-Jatropha-Kampagne angelaufen. Die zeigt inzwischen offenbar Wirkung. So erklärte kürzlich Steinar Kolnes, Mitinhaber der ebenfalls norwegischen Biofuel Africa, dass er in Europa nach Käufern für seine ghanaische Unternehmung, eine 660 Hektar große Jatrophaplantage, gesucht habe, aber ohne Erfolg. Er sei mit leeren Händen zurückgekehrt. Die ghanaischen Proteste hätten Investoren abgeschreckt.
Die Bioölkonzerne haben ihre Strategie mittlerweile umgestellt und pflanzen den Jatrophastrauch auf fruchtbare Böden. Auch auf Bewässerung haben sie sich eingestellt. Damit steht Jatropha nun in unmittelbarer Konkurrenz zur einheimischen Nahrungsmittelproduktion. Das wiederum verschärft die Spannungen zwischen Bauern und Investoren.
Mehr als zwei Dutzend Länder sollen mittlerweile in den globalen Landraub verstrickt sein. In diesem Überblick sind nicht alle abgehandelt, aber doch die wichtigsten und größten Akteure. Die Tour über den Globus macht klar, dass der Landraub nicht an Nord oder Süd, Ost oder West gebunden ist. Er ist ein globales Phänomen. Es gibt Gewinner und Verlierer. Die Früchte des großen Landgeschäfts ernten die Investoren und die nationalen Eliten. Die Steine bleiben für die, die bisher auf dem Land leben und wirtschaften, auch wenn es nach den Maßstäben der Weltbank als »unproduktiv« eingestuft wird.
Was wir erleben, ist ein Paradigmenwandel, ein neues Kapitel im Geschichtsbuch der Weltlandwirtschaft. Es ist der Übergang von der bäuerlichen zur »Kapital«-Gesellschaft und von der Nahrungsmittel- zur Rohstoffproduktion. Die Entscheidung, was wo auf den Feldern wächst, wird nicht mehr auf dem Acker gefällt, sondern in einer fernen Konzernzentrale, die je nach globaler Marktlage und Preiserwartung entscheidet. Sie hängt nicht mehr ab vom Bedarf der lokalen Märkte, sondern von der globalen Rendite. Das Zeitalter der Hirten, Vieh- und Getreidezüchter verschwindet, Massentierhaltung und Monokulturen übernehmen ihren Platz.
Von Ostfriesland bis in die Ukraine, von Ontario bis São Paulo, von Phnom Penh bis Dakar untergräbt diese neue Art der »Landreform« nach kapitalistischem Muster die bäuerlichen Existenzen und die ländlichen Gemeinden. Den Kürzeren ziehen die Kleinbauern, indigenen Gemeinschaften, Frauen und Kinder. Wo sie im Wege stehen, fallen sie rabiaten Umsiedlungsaktionen zum Opfer.
Das Center for Human Rights and Global Justice an der New York University School of Law kam zu dem Ergebnis, dass es bei fast allen Transaktionen so gut wie keine Transparenz und keine Rechtsgrundlage für die Bodengeschäfte gab, dafür aber verheerende Folgen für die Betroffenen, ihre Nahrungssicherheit und ihre Wasserversorgung.
Rückgängig zu machen ist diese Art von Landgeschäften kaum, es fehlen Gerichte, geschäftliche Ehrlichkeit und politischer Wille. »Das Land wird den Armen abgenommen und es gibt wenig Möglichkeiten, Entschädigung zu bekommen«, urteilt der Ökonom Klaus Deininger. Sein Fazit über den Bodenraub fällt wenig schmeichelhaft aus: »Die Armen unterstützen die Reichen.« 78
Das Urteil ist umso brisanter, als ausgerechnet der Weltbank gemeinsam mit ihren Töchtern im Milliardenpoker um die Böden der Welt eine Schlüsselrolle zukommt.
Weltbevölkerung. Wie viel Land braucht der Mensch?
Es ist etwas mehr als 200 Jahre her, da überschritt die Menschheit die Grenze von 1 Milliarde Erdenbewohnern. Erst um 1500 erreichte sie die 500-Millionen-Marke, 300 Jahre später bereits das Doppelte. Von da an ging es immer schneller. Im Jahr 2000 waren es schon 6 Milliarden und 2011 tickte der Zeiger der Weltbevölkerungsuhr unerbittlich über die 7-Milliarden-Marke hinweg. Sie sagt uns, dass pro Sekunde 3, pro Minute 158 und jede Woche rund 1,5 Millionen zusätzlicher Menschen nach Brot, Wasser und Lebensraum verlangen.
Bereits 2050 werden mehr als 9 Milliarden Menschen zu ernähren sein und für das Ende des Jahrhunderts weisen die Hochrechnungen mittlerweile einen Wert über 10 Milliarden aus. 1
Es ist die steil aufwärts gerichtete Bevölkerungskurve, die uns beunruhigt. Sie lässt die alte Angst wieder aufflammen, ob die Fruchtbarkeit der Erde denn auch für alle reicht. Die Befürchtung des englischen
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