Bodenrausch
einem hohen, offenen Dach steht ein Silo, davor eine Mühle, die einen ohrenbetäubenden Lärm veranstaltet. Ein glänzender grüner Tropfen ziert das Firmenschild: ScanFuel produziere hier, so heißt es, nachhaltigen, natürlichen Biodiesel; sorge sich an erster Stelle um die Nahrungssicherheit; schaffe Arbeitsplätze für die ghanaische Jugend und bediene sich – das habe Priorität – der Expertise vor Ort.
David Eli zieht den Kopf ein. Man kennt ihn hier, der kritische Beobachter ist unerwünscht. Wir passieren unerkannt das Gelände.
In der Vorlage für einen Jatropha-Kongress im Juni 2008 in Miami hatte ScanFuel von 1 Million Hektar gesprochen, die im November 2007 gepachtet worden seien. Das Geld der ghanaischen Tochter kommt aus den Kassen der IKM-Gruppe, die Teil der norwegischen Öl- und Gasindustrie ist.
Die Norweger sind bei Weitem nicht die einzigen Landinvestoren, wie FoodSPAN seit drei Jahren beobachtet. Ein Team unter Leitung von David Eli hat das ganze Land bereist: »Die Lage ist sehr beunruhigend«, so der Befund, »eine so weitreichende Zerstörung des Landes hatten wir nicht erwartet. Viele Bauern, die sich selbst unterhalten konnten und darüber hinaus 70 Prozent unserer Nahrung produzierten, zum Beispiel Yam, Mais, Nüsse, Reis und Cassava, sind von ihrem Land vertrieben worden.«
Etwa auch von der italienischen Firma Agroils, der israelischen Galten Global Alternative Energy, der britischen Jatropha Africa, der norwegischen Biofuel Africa und der kanadischen Kimminic Corporation. Laut CIA World Fact Book hat Ghana rund vier Millionen Hektar kulturfähiges Ackerland, davon gilt nur die Hälfte als ständig bebaut. Rund 770000 Hektar besitzen ausländische Unternehmen und haben damit etwa 37 Prozent der ghanaischen Ackerfläche größtenteils für den Anbau von Biospritpflanzen »geraubt«, wie die Einheimischen sagen.
Kein Wunder, die Weltbank listet Ghana als eines der investorenfreundlichsten Länder Afrikas auf mit politischer Stabilität, günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen und einer hohen Rechtssicherheit, das zählt für die Geldgeber. Für die Bevölkerung ist die Lage dagegen keineswegs rosig. Vor allem im Norden leiden 14 Prozent der Einwohner an Hunger; die Hälfte des Reis- und Weizenbedarfs muss für teures Geld importiert werden. 76
Rechts und links der jetzt schmalen und buckligen Piste weitet sich die Jatrophaplantage aus. Wir versuchen, die zwei Meter hohen Sträucher mit Blättern wie große Efeutatzen auszumachen, können sie aber nur schwer erkennen. Auch David Eli wundert sich zusehends. Statt geordnet gereihter Pflanzen sehen wir Busch, Jatropha, überwuchert von wildem Grün, Gräsern und Unkraut. Der Sozialarbeiter lächelt ungläubig: »Sie haben das Gebiet sich selbst überlassen, tatsächlich. Vor einem halben Jahr sah es hier ganz anders aus.« Dann bricht er in verhaltene Freudenrufe aus: »Das ist wunderbar! Sie nutzen das Land nicht mehr. Dann sollte es den Bauern zurückgegeben werden.«
Wir erreichen Efirise, ein Dorf mit ein paar hundert Seelen. Strohgedeckte Lehmhäuser stehen unter Bäumen mit breiten Kronen, Kinder in abgerissenen T-Shirts laufen herum, Ziegen suchen Futter auf dem trockenen, grauen Erdboden. Die Armut ist greifbar. David Eli wird herzlich begrüßt und ein Kind läuft los, Chief Amadu Zakari zu holen. Vor dem Haus sitzt seine Frau auf der Stufe zum Eingang und hantiert mit Wäsche und Plastikwannen, dazwischen hüpfen neugierige Kinder auf nackten Füßen herum. Alles ist voller Staub. Wir kommen unerwartet; darum hat keiner die Sonntagskleider angelegt, wie es in Afrika bei Besuch üblich ist.
Der Dorfchief eilt herbei; trotz schmutziger, zerrissener Arbeitskluft strahlt er ruhige Autorität aus. »Als die Company anfangs kam, dachten wir, sie bringen uns Arbeit«, beginnt er seinen Bericht, »unsere Jugendlichen würden als Bauern von ScanFuel angestellt und wir würden ein gutes Auskommen haben.« Das Dorf werde wachsen, hatten sie gehofft, mehr Land werde zu bewirtschaften sein. Aber langsam durchschauten sie die Pläne des Unternehmens. »Sie wollten unser Land haben. Den Boden, der unsere Existenz bedeutet. Die Firma hat uns nicht offen informiert, sondern ihre Abgesandten waren sehr gerissen und sind geschickt vorgegangen.«
ScanFuel pachtete das Land vom höchsten Chief in Agogo; das ist so üblich in Ghana. Der Staat besitzt nur einen kleinen Teil des Landes, über 80 Prozent sind im Besitz der traditionellen
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