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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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geschenkt hatte. Und jetzt beugte sich der Typ zu Martina und eine tierische Furcht biss sich in Martins Herz fest und ließ es wild schlagen, seinen Adamsapfel auf- und abspringen. Na, Süße? Und ein neuer Pfeil spießte die Angst auf, spießte Martin auf, ein schrecklicher Verdacht: Ob dieser Mensch mit Evelyn Gorda Kontakt aufgenommen hatte? Ob er etwas mit ihrem Mord zu tun hatte, nicht nur etwas, sondern alles? Na, Süße?
    Martin war vielleicht nur einmal in seinem/ihrem Leben einer solchen Panik ausgeliefert gewesen: Als Sechsjähriger hatte er die kurze Abwesenheit des Vaters genutzt, um das Jagdgewehr, das auf dem Küchentisch lag, in die Hände zu nehmen, dann hatte er wie ein erfahrener Jäger die Katze erschrecken wollen, die sich auf der Bank räkelte. Bing! Bing! Er hatte die Waffe an die Schulter und den Finger an den Ring des Abzugs gelegt und mit aller Kraft gedrückt. Wie in einem Comicstrip war er vor Schreck nach hinten gefallen, die Katze war unverletzt unter den Schrank gekrochen und der Vater, der seine Beute in den Keller gebracht hatte, im Eiltempo die Treppen hinaufgerannt war, hatte das Kind entdeckt, das zusammengekauert den Kopf mit den Armen schützte und jammerte, ich-habe-es-nicht-zu-Fleiß-gemacht-ich-habe-es-nicht-zu-Fleiß-gemacht. Heute im Roten Ofen vor dem Blick dieses Unbekannten, der leider kein Unbekannter bleiben wollte, spürte er die Todesangst von damals, den eiskalten Schweiß am Rücken, das Zittern der Hände.
    Martina holte einen Geldschein aus dem Portemonnaie und rief den Kellner, der sie aber nicht sofort hörte.
    Na, Süße, sagte der Unbekannte, sind wir uns nicht schon einmal hier begegnet? Keine Ahnung, stammelte Martina und wedelte mit dem Geldschein, erregte endlich die Aufmerksamkeit des Kellners, der zu ihr kam. Sie bezahlte, ohne zuzuhören, was der aufdringliche Mann noch schwatzte, hatte er nicht den Namen Evelyn ausgesprochen? Hatte sie nicht selbst das Wort »Missverständnis« gestottert? Martina stand auf, aber Franz, ja, er hieß Franz, versuchte, sie festzuhalten, erinnern Sie sich nicht mehr an mich? Sorry, sagte Martina, wir kennen uns nicht, ich muss gehen. Sie zog ihren Mantel an und lief weg, hörte panisch, wie der andere auch nach der Rechnung verlangte, oder auch nicht, warte doch, rief er, warte! Sie rannte schon hinaus, mit den Stiefeln konnte sie nicht gut rennen, zu hohe Absätze, kein Taxi in Sicht, die U-Bahn-Station war zum Glück nicht weit, sie konnte das leuchtende U schon sehen, versuchte, ihr Tempo zu beschleunigen, drehte sich um, glaubte zu sehen, wie jemand hinter ihr herlief, sicher war Martin sportlicher als der Typ, er zog die Schuhe aus, niemals mehr hohe Absätze, er lässt sie auf dem Pflaster liegen, der Boden ist verdammt kalt, wir haben Winter, er holt sich den Tod, nein so schnell nicht, er versucht, wie ein Sprinter zu atmen, er ist ein Sportler, nur kein Seitenstechen zu bekommen, er ist kein Sportler, ein Hase ist Martin, eine Beute, und der Jäger läuft ihm wild hinterher, er erreicht die U-Bahn-Treppen schon, hört aber Schritte hinter sich, der Bahnsteig, ein Paar steht da, Franz wird sich nicht trauen, Martina etwas anzutun, die U-Bahn ist angekündigt, eine Minute, ach, wie lange eine Minute sein kann, er versteckt sich hinter einer dicken Frau, jetzt fährt die U-Bahn ein und Martin springt in den Zug, schaut aus der Tür, ob der Mann auf dem Bahnsteig ist, aber der Bahnsteig ist leer, ist er auch schon in dem Zug? Hat ihn doch niemand verfolgt? Oder hat der Verfolger das Rennen aufgegeben? Martin lässt sich auf den ersten freien Sitz fallen, neben einem Schwarzen, der Martina mit überraschten Augen ansieht, sie hat ihn angerempelt, Entschuldigung, sorry! Nichts passiert, Lady, sagt er und lächelt. Lady ist ideal. Sie atmet aus. Der Zug fährt ab. Der Schwarze schaut auf ihre nackten Füße, nicht kalt?, fragt er. Nein, nicht sehr kalt, und sie bricht in Tränen aus.
    Er wärmte seine Füße unter der Dusche, kroch unter das Federbett und stellte sich eine Begegnung des Mannes namens Franz mit Evelyn vor. Er hatte sie angerufen, sie an die Begegnung in der Kneipe erinnert, was für eine Kneipe? Sie wimmelt ihn ab, noch ein Verrückter am Telefon, lästige Anrufe gab es ja genug. Diese Abweisung macht ihn scharf. Er beschließt, sie zu treffen, klingelt bei ihr. Er zeigt der Pianistin die Karte,

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