Body Farm
sein. An zweiter Stelle steht die Aufgabe, dich aus diesem Wirrwarr herauszubekommen, damit deine Zukunft nicht gefährdet ist.«
»Ich kann nie mehr FBI-Agentin werden. Dazu ist es jetzt zu spät.«
»Nicht, wenn wir in Quantico deinen Namen reinwaschen können und einen Richter finden, der ein mildes Urteil für deine Alkoholfahrt fällt.«
»Und wie soll das gehen?«
»Du meintest, du bräuchtest einen einflußreichen Menschen, der dir hilft. Vielleicht haben wir den schon für dich gefunden.«
»Wer ist es?«
»Im Augenblick mußt du nur wissen, daß deine Chancen gut stehen, wenn du auf mich hörst und tust, was ich sage.«
»In meinen Ohren klingt das, als käme ich in Sicherheitsverwahrung.«
»Die Therapie wird in mehrfacher Hinsicht gut für dich sein.«
»Ich würde lieber hier bei dir bleiben. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens als >Alkoholikerin< abgestempelt sein. Abgesehen davon glaube ich nicht, daß ich eine bin.«
»Möglich. Aber du mußt zu der Einsicht gelangen, warum du Alkoholmißbrauch betrieben hast.«
»Vielleicht mag ich nur das Gefühl, nicht hier zu sein. Hier hat mich jedenfalls nie jemand gewollt. Das könnte es sein«, sagte sie bitter.
Wir redeten noch eine Weile miteinander. Dann verbrachte ich einige Zeit am Telefon und sprach mit Luftfahrtgesellschaften, dem Krankenhaus und einem hiesigen Psychiater, der ein guter Freund von mir war. Edgehill, eine angesehene Entziehungsanstalt in Newport, konnte Lucy schon am nächsten Nachmittag aufnehmen. Ich war dafür, aber als ich Dorothy den Vorschlag unterbreitete, wollte sie nichts davon hören. In solch einer Zeit müsse eine Mutter bei ihrer Tochter sein, sagte sie. Meine Gegenwart sei weder notwendig noch dienlich.
Ich war ziemlich niedergeschlagen, als gegen Mitternacht das Telefon nochmals läutete.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt«, sagte Wesley.
»Ich bin froh, daß du anrufst.«
»Was den Abdruck angeht, hattest du recht. Es ist eine Umkehrung. Von Lucy kann er nicht stammen, es sei denn, sie hätte ihn selbst hergestellt.«
»Das hat sie ganz sicher nicht. Mein Gott, Benton, ich hatte gehofft, das hätten wir hinter uns.«
»Noch nicht ganz.«
»Was ist mit Gault?«
»Kein Lebenszeichen von ihm. Und dieser Arsch im Eye Spy leugnet. Gault sei nie da gewesen, behauptet er.« Er hielt inne. »Bist du ganz sicher, daß du ihn gesehen hast?«
»Das könnte ich vor Gericht beschwören.« Temple Gault hätte ich überall erkannt. Manchmal sah ich seine Augen im Schlaf vor mir. Glänzend wie blaues Glas starrten sie durch eine Türritze in einen seltsamen, dunklen Raum, in dem ein fauliger Gestank herrschte. Wieder sah ich Heien vor mir, die geköpfte Gefängniswärterin. Sie saß aufrecht auf einem Stuhl, in ihrer Uniform, so wie Gault sie zurückgelassen hatte, und ich dachte an den armen Farmer, der den Fehler begangen hatte, die Bowlingtasche zu öffnen, die er auf seinem Acker gefunden hatte.
»Mir tut es auch leid«, hörte ich Wesley sagen. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie leid es mir tut.«
Dann erzählte ich ihm, daß ich Lucy nach Rhode Island schicken wolle. Ich erzählte alles, was ich möglicherweise noch nicht erwähnt hatte. Als er dann an der Reihe war, mir die letzten Neuigkeiten zu berichten, knipste ich meine Nachttischlampe aus und hörte ihm im Dunkeln zu.
»Hier kommen wir nicht recht weiter. Daß Gault wieder verschwunden ist, macht uns gewaltige Kopfschmerzen. Wir wissen nicht, was er tut und läßt. Da haben wir diesen Fall in North Carolina und jetzt einen in England, und plötzlich taucht er in Springfield auf und ist anscheinend in diesen Spionageakt verwickelt, der in die ERF führt.«
»Von anscheinend kann da gar nicht die Rede sein, Benton. Er ist bis ins Gehirn des Bureau vorgedrungen. Die Frage ist, was wird in dieser Sache unternommen?«
»Im Augenblick werden bei der ERF die Codes geändert, die Paßwörter und all diese Dinge. Wir hoffen, er ist nicht allzuweit vorgedrungen.«
»Hoffentlich.«
»Die Polizei von Black Mountain hat einen Durchsuchungsbefehl für Creed Lindseys Haus und Wagen erwirkt, Kay.«
»Haben sie ihn gefunden?«
»Nein.«
»Was sagt Marino dazu?« fragte ich.
»Wer, zum Teufel, weiß das schon?«
»Hast du ihn nicht gesprochen?«
»Nur kurz. Ich glaube, er verbringt viel Zeit bei Denesa Steiner.«
»Ich dachte, sie sei verreist.«
»Sie ist zurück.«
»Wie ernst ist es mit den beiden, Benton?«
»Pete ist von ihr besessen.
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