Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Motelzimmer-Schlüssel und seine Wagenschlüssel auf einem Norman-Rockwell-Teller auf dem Flurtischchen.
    »Wo ist Captain Marino?« fragte ich. »Oben. Er schläft.« Sie zog die Handschuhe aus. »Er hat sich gestern abend nicht wohl gefühlt. Es geht ein Bazillus um, wissen Sie.«
    Sie knöpfte den Mantel auf und ließ ihn mit einem leichten Schütteln ihrer Schultern an sich herabgleiten. Die affektierte Art, mit der sie dabei zur Seite schaute, sprach Bände; offenbar war sie es gewohnt, jedem, der mochte, den Anblick ihrer Brüste zu gewähren, die sich nicht einmal unter matronenhafter Kleidung verbergen ließen. Denesas Körpersprache setzte auf Verführung, und die galt jetzt mir. Sie forderte mich heraus, aber nicht aus den Gründen, aus denen sie einen Mann herausfordern würde. Denesa Steiner produzierte sich. Sie sah in jeder Frau ein Rivalin, und das sagte wieder einiges über ihr Verhältnis zu Emily aus.
    »Vielleicht sollte ich kurz zu ihm gehen«, sagte ich.
    »Pete braucht nur Schlaf. Ich bringe ihm einen heißen Tee hinauf, und dann bin ich wieder für Sie da. Machen Sie es sich im Wohnzimmer bequem. Möchten Sie Kaffee oder Tee?«
    »Danke. Weder noch«, sagte ich. Die Stille im Haus beunruhigte mich.
    Kaum hörte ich sie die Treppe hinaufgehen, sprang ich auf und begann mich umzusehen. Im Flur steckte ich Marinos Wagenschlüssel ein und ging in die Küche. Links vom Spülbecken führte eine Tür nach draußen, gegenüber gab es eine weitere, mit einem Riegel versperrte Tür. Ich schob ihn zurück und drehte am Türknauf.
    Der kalten, modrigen Luft nach zu schließen, ging es hier in den Keller. Ich tastete an der Wand nach einem Schalter und knipste das Licht an. Dunkelrot gestrichene Holzstufen führten nach unten. Dort mußte ich hin. Ich mußte wissen, was da unten war, nichts konnte mich aufhalten, nicht einmal die Gefahr, daß Mrs. Steiner mich erwischte. Mein Herz pochte mir so heftig in der Brust, als wollte es die Flucht ergreifen.
    Chuck Steiners Arbeitstisch war noch da, übersät mit Werkzeug, Zahnrädern und einem alten zeigerlosen Zifferblatt. Holundermarkscheiben lagen verstreut herum. Die meisten trugen die Abdrücke der feinen, geölten Teile, deren Säuberung und Aufbewahrung sie einmal gedient hatten, einige lagen auch unter dem Tisch auf dem Betonboden zwischen Drahtstücken, kleinen Nägeln und Schrauben. Leere Uhrengehäuse aus Großvaters Zeiten hielten im Dunkeln stille Wache, im Raum verteilt standen mehrere alte Radios und Fernseher und eine Ansammlung dick eingestaubter Möbelstücke.
    Die Wände waren aus weißem Schlackenstein, und Fenster gab es keine. An einer Hakenleiste hingen ordentlich zusammengerollt Verlängerungskabel sowie Kordeln und Seile verschiedener Beschaffenheit und Stärke. Ich dachte an die Makramee-Arbeiten oben auf den Möbeln, an die feinen Spitzendeckchen, die Arm- und Rückenlehnen bedeckten, und an die Hängepflanzen an ihren Rundhaken in der Decke, und plötzlich sah ich wieder die Schlinge mit dem Henkersknoten vor mir, die man von Max Fergusons Hals geschnitten hatte. Im Rückblick schien es mir unvorstellbar, daß niemand diesen Keller früher untersucht hatte. Als die Polizei nach der kleinen Emily gefahndet hatte, mußte sie doch zumindest einen Blick in den Keller geworfen haben.
    Ich zog an einer Schnur, um mehr Licht zu machen, aber die Birne war ausgebrannt. Erst jetzt fiel mir wieder ein, daß ich meine Taschenlampe immer noch nicht zurückhatte. Mein Herz pochte so heftig, daß ich kaum atmen konnte. Vor einer Wand lag ein Stapel Kaminholz voller Spinnweben. Hier ging eine Tür nach draußen, eine weitere neben einem Warmwasserboiler führte zu einem voll eingerichteten Badezimmer. Ich schaltete das Licht ein. Die sanitären Anlagen waren aus altem weißem Porzellan voller Farbspritzer. Die Wasserspülung der Toilette hatte offenbar seit Jahren niemand mehr benutzt, denn das Becken war vom stehenden Wasser rostbraun verfärbt. Im Waschbecken lag eine Bürste mit steifen, gekrümmten Borsten, die an die Finger einer Hand erinnerten. Dann sah ich in die Badewanne. Ungefähr in der Mitte lag der Vierteldollar mit George Washingtons Gesicht nach oben, um den Abfluß entdeckte ich dunkle Spuren, wahrscheinlich Blut. Ich hatte genug gesehen. Gerade wollte ich den Rückweg antreten, als die Tür oben an der Treppe plötzlich ins Schloß fiel. Ich hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Denesa Steiner hatte mich einfach eingeschlossen.

Weitere Kostenlose Bücher