Body Farm
noch Stimmen durchbrachen die Stille. Mir kam die abgrundtiefe Angst in den Sinn, die Emily Steiner empfunden haben mußte, bevor sie starb. Wo immer es geschehen sein mochte, niemand hatte auch nur den leisesten Hilferuf von ihr gehört. Niemand war gekommen, um sie zu retten. Winzige glitzernde Glassplitter steckten noch im Fensterrahmen, als Wesley seinen Arm vorsichtig durch die Öffnung schob und innen nach dem Türgriff tastete.
»Verdammt«, sagte er und stieß gegen die Tür. »Der Schnappriegel muß eingerostet sein.« Er schob den Arm weiter hinein, um besser Halt zu bekommen, und rüttelte an dem widerspenstigen Schloß. Plötzlich gab es nach. Die Tür flog mit solcher Wucht auf, daß Wesley nach vorn stürzte und mir dabei die Taschenlampe aus der Hand schlug. Sie fiel zu Boden und zerschellte am harten Beton. Mir schlug ein Schwall kalter, fauliger Luft entgegen. In der absoluten Dunkelheit hörte ich das zerbrochene Glas unter Wesleys Körper knirschen.
»Alles in Ordnung?« Blind tappte ich zentimeterweise mit ausgestreckten Händen vorwärts. »Benton?«
»Himmel.« Seine Stimme zitterte, als er sich aufrichtete. »Sind Sie okay?«
»Verdammt, das kann ich einfach nicht glauben.« Seine Stimme entfernte sich.
Er tastete sich an der Wand vorwärts. Glas splitterte unter seinen Füßen. Dann trat er gegen etwas, das hohl klang wie ein leerer Farbeimer. Ich kniff die Augen zusammen, als plötzlich über mir eine nackte Birne aufleuchtete. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das Licht. Vor mir stand Benton Wesley, schmutzig und blutend.
»Lassen Sie mal sehen.« Sanft faßte ich nach seinem linken Handgelenk. Er sah sich ziemlich benommen um. »Sie müssen ins Krankenhaus, Benton«, sagte ich und untersuchte die zahlreichen Schnitte in seiner Handfläche. »In einigen stecken noch Glassplitter, Außerdem muß genäht werden.«
»Sie sind doch selbst Ärztin.« Das Taschentuch, das er sich um die Hand wickelte, wurde sofort rot. »Sie müssen ins Krankenhaus« wiederholte ich und sah, wie durch den zerrissenen Stoff seines linken Hosenbeins dunkel das Blut sickerte.
»Ich hasse Krankenhäuser.« In seinen Augen lag ein fiebriger Glanz, Zeichen für die Schmerzen, die er hinter einer stoischen Miene zu verbergen suchte. »Sehen wir uns um, und dann machen wir, daß wir aus diesem Loch herauskommen. Ich verspreche, inzwischen nicht zu verbluten.«
Wo, zum Teufel, mochte Marino stecken? Es sah so aus, als habe SBI-Agent Ferguson seinen Keller seit Jahren nicht betreten. Und ich konnte auch keinen Grund erkennen, warum er es hätte tun sollen, es sei denn, er hätte eine Vorliebe für Staub, Spinnweben, rostendes Gartengerät und modernde Teppiche gehabt. Der Betonfußboden und die Schlacksteinwände hatten Wasserflecken. Die Überreste von Grillen am Boden ließen darauf schließen, daß sie hier unten in Legionen gelebt hatten und verendet waren. Wir gingen an den Wänden entlang, entdeckten aber keinen Hinweis darauf, daß Emily Steiner vorübergehend hier gewesen sein könnte.
»Ich habe genug gesehen«, sagte Wesley. Die hellrote Spur, die er auf dem staubigen Fußboden hinterließ, hatte sich zu einer Pfütze vergrößert.
»Benton, wir müssen etwas gegen die Blutung tun.«
»Was schlagen Sie vor?«
»Schauen Sie mal für einen Moment in die Richtung.« Auf meinen Wink drehte er mir den Rücken zu. Er fragte nicht, warum, und fügte sich. Ich stieg schnell aus den Schuhen und zog den Rock hoch. Binnen Sekunden hatte ich meine Strumpfhose ausgezogen.
»Okay. Geben Sie Ihren Arm her«, sagte ich dann. Ich nahm ihn und drückte ihn vorsichtig mit dem Ellbogen an meinen Körper, wie jeder Arzt das unter diesen Umständen wohl getan hätte. Doch als ich die Strumpfhose um die verletzte Hand wickelte, spürte ich Wesleys Blick auf mir, spürte deutlich seinen Atem in meinem Haar und seinen Arm an meiner Brust. Eine Hitzewelle schoß mir so heftig zum Hals hinauf, daß ich fürchtete, Wesley könne sie bemerken. Überrascht und völlig verwirrt beendete ich meine improvisierte Wundversorgung und trat einen Schritt zurück.
»Das müßte wohl reichen, bis ich mich anderswo besser um Sie kümmern kann.« Ich mied seinen Blick.
»Danke, Kay.«
»Die nächste Frage lautet, wohin jetzt«, sprach ich in gleichgültigem Ton weiter, der meine Erregung Lügen strafte. »Es sei denn, Sie wollen, daß wir im Hubschrauber schlafen. «
»Ich habe Pete gebeten, sich nach einem Quartier
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