Bodycheck (German Edition)
reduzierte sich das Risiko des Dicken, doch noch zum Abschied ein blaues Auge zu kassieren.
Es dauerte nur eine Viertelstunde, und sie standen wieder neben Toralfs Auto auf dem Parkplatz. Toralf gab dem Dicken den Autoschlüssel zurück und stieg aus.
«War eine krasse Fahrt, wirklich.»
«Ganz meinerseits», antwortete der Dicke, «wenn du mal wieder Lust auf BMW-Fahren hast, dann ruf mich doch an.» Mit diesen Worten reichte er Toralf ein Kärtchen. Schon wieder eine Visitenkarte, dachte Toralf und las vor: «Werbeagentur, Geschäftsführer».
Der Dicke lächelte. «Habe immer in Hamburg oder Berlin zu tun, wenn du magst, können wir uns gern mal sehen. Hab auch Wohnungen in Hamburg und in Berlin.»
«Da komme ich vielleicht mal drauf zurück», antwortete Toralf, stieg in seinen Golf und ließ den Motor an. Eine Zeit lang versuchte er, an dem Werbefritzen dranzubleiben. Doch die Autobahn war leer und der BMW zu schnell.
11
Zu Hause angekommen, sprang Toralf sofort unter die Dusche. Er wusch sich gründlich und betrachtete eingehend sein Glied. Das sah aus wie immer, nichts Ungewöhnliches war daran zu sehen. Dabei war das Ding im Mund eines anderen Mannes gewesen. Beim Gedanken daran bekam Toralf eine Erektion. Nein, nur das nicht. Er wollte keine Erektion beim Gedanken an den Dicken. Er wollte keine Erektion beim Gedanken an einen Mann. Toralf drehte das Wasser auf kalt.
Mit einem Handtuch um die Hüften legte er sich aufs Bett. Sein Blick wanderte zu den Baumkronen. Ein Buntspecht mit rotem Schwanz pochte in den Stamm der Buche neben dem Haus.
Toralf zog die beiden Visitenkarten aus seinem Portemonnaie. Der gefalzte Notizzettel mit der Handynummer vom Hauptfeldwebel blieb stecken. Sollte er jetzt Manfred anrufen? Auf keinen Fall, er würde sich nur lächerlich machen! Hallo Manfred, bin ganz durcheinander, weil ich heute was mit einem dicken BMW-Fahrer hatte. Manfred wäre hocherfreut, abgestoßen, angeekelt, enttäuscht, was auch immer. Toralf steckte beide Visitenkarten wieder zurück.
Unter keinen Umständen wollte Toralf heute Abend mit Birthe sprechen. Vorsorglich schaltete er das Handy aus. Er hatte Angst, sich mit ihr treffen zu müssen.
In der Ecke auf dem Regal erkannte er Manfreds Kapuzenshirt. Hertha hatte es gewaschen, gebügelt und sorgsam zusammengelegt. Schade, dachte Toralf. Gern hätte er jetzt Manfreds Geruch in der Nase gehabt. Toralf holte das Shirt aus der Ecke und faltete es auseinander. Er schnüffelte daran: Nichts, keine Spur von Manfred, nur Aprilfrische. Schade. Toralf zog das Kapuzenshirt über und ging zurück zum Bett.
Wieder stand ihm der Dicke vor Augen, doch das Bild verschwamm und verwandelte sich in den dicken Ronny, damals in der achten Klasse. Mehr als einmal hatten Ronny und er ineinander verkeilt im Staub des Schulhofs gelegen, hatten jede Gelegenheit zu einer Rauferei unter Freunden genutzt. Als er Ronny eines Tages schwitzend umschlungen hielt, spürte er, wie sein Schwanz hart wurde. Toralf gefiel das, und eine Zeit lang häuften sich nun die kleinen Ringkämpfe. Es war Sommer, als sie auf dem Bootssteg am Seeufer wieder einmal miteinander rangen. Andere Jungen sahen zu, feuerten sie an. Toralf und Ronny trugen nichts als Badehosen, weil sie ja eigentlich zum Baden wollten. Plötzlich krähte einer der Zuschauer: «Guckt mal, der Toralf hat einen Steifen!» Alles lachte, die beiden Kontrahenten sprangen in den See. Das war sein letzter Ringkampf gewesen, bevor er Manfred begegnete.
Und auch andere Erinnerungen tauchten nach und nach wieder auf: Es gehörte zu den Vorbereitungen der Jugendweihe, gesellschaftlich aktive Bürger einzuladen. Eines Tages kam ein zartes, schmächtiges Männlein zu ihnen und wurde als Überlebender eines Nazi-Konzentrationslagers vorgestellt. Flüsternd riss Ronny einen Witz über dessen ausgemergelte Gestalt. Der Alte sah genauso aus, wie sie sich einen KZ-Insassen vorstellten. Sie lachten schallend, nur der Lehrer guckte ernst. Doch das Männlein lachte mit und freute sich über die Unbeschwertheit der Jugend. Da hatte es ihre Herzen erobert, und gebannt hörten sie den Erzählungen zu.
Tags darauf hatte der dicke Ronny die Jungs auf dem Schulhof um sich geschart. Von seiner Großmutter hatte er erfahren, weshalb der Mann ins KZ eingesperrt worden war. Er hatte versprechen müssen, das Geheimnis für sich zu behalten, deshalb mussten sie alle schwören, nichts weiterzusagen. Ehrensache! Er war eingesperrt worden, weil er statt
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