Bodycheck (German Edition)
abstehenden Ohren vielleicht. Die würden ja einem Elefanten zur Ehre gereichen. Mit der linken Hand drückte er von hinten das rechte Ohr an den Hinterkopf und begutachtete das Ergebnis. Schon besser! So etwas konnten die Ärzte heutzutage bestimmt mit einer kleinen Operation ändern.
Wenigstens hatten sich die Mädels nie an den Ohren gestört, im Gegenteil. Schon immer hatten sie sich regelrecht um ihn gerissen, ganz ohne sein Zutun. Manchmal war das sogar ein bisschen lästig gewesen. Damals sein erster Zungenkuss, dieser eigenartig metallische Geschmack aus dem Mund von Regine. Toralf schüttelte sich. Sie hatte ihre Zunge zwischen seine Lippen gedrängt. Er wollte sich nicht lumpen lassen, wollte Mann sein und schob seine Zunge in Gegenrichtung. Eng umschlungen hatten beide am Ufer des Treptowsees gelegen. Währenddessen saßen die Kumpels daneben am Lagerfeuer, ließen die Wodkaflasche kreisen und kommentierten gelegentlich das schüchterne Treiben im Gras. Toralf avancierte in jener Nacht zum Helden der übrigen Jungs. Dass er den Geschmack ihrer Zunge eklig fand, behielt er lieber für sich.
Seine Linke ließ die Ohrmuschel wieder los. Regine lebte schon lange nicht mehr in Kleinow. Es hieß, sie sei jetzt in Wiesbaden. Aus dem Spiegel schauten ihn zwei große Ohren an.
10
Montagmorgen rief Toralf in der Firma an und vereinbarte mit dem Chef, dass er direkt zur Baustelle kommen würde. Das kostete zwar zusätzlich Sprit und damit sein Geld, verschaffte ihm aber ein paar zusätzliche Minuten für ein ausgiebiges Frühstück.
Die Arbeit ging an diesem Tag prächtig von der Hand. Er war konzentriert bei der Sache, die Hände bewegten sich von allein, und kein Gedanke trübte ihm die Sinne. Die Zeit verging wie im Fluge. Frühstückspause, Mittagspause, und schon war der Feierabend da.
Der Heimweg führte ein Stück weit über die Autobahn. Plötzlich hatte er Lust, auf einem Parkplatz anzuhalten. Warum sollte man nicht mal gucken? Einfach nur gucken. Nur mal sehen, was da so läuft. Wenn da überhaupt was läuft. Ob Manfred recht hatte. Kurz entschlossen scherte er auf die Abbiegespur aus. Er ließ den Wagen ausrollen und kam neben einem BMW zum Stehen. Der BMW war leer. Es war niemand zu sehen. Etwas weiter hinten standen zwei weitere Wagen, ebenfalls leer. Wer parkte denn hier sein Auto? Wo waren die Fahrer?
Toralf stieg aus und sah sich um. Immer noch keiner da. Im Gras führten Trampelpfade zum nahen Wald. Wer ging denn in die Büsche, wo es hier doch ein WC gab? Er schlenderte langsam zum Toilettenhäuschen, pinkelte dort und kehrte zum Wagen zurück.
Toralfs tiefergelegter Wagen hatte zwischenzeitlich einen Bewunderer gefunden. Der war Anfang dreißig, kleiner als Toralf, dicklich, trug eine helle Leinenhose und ein kurzärmeliges weißes Hemd mit Krawatte. Er versuchte, sich leutselig zu geben, und begrüßte Toralf mit einem «Tach-schön».
«Hi», antwortete Toralf. Was mochte der Schnösel wollen?
«Ich hab nämlich ’ne Schwäche für getunte Autos», schmeichelte der Dicke. Toralf lächelte und zeigte fragend auf den BMW: «Ist das deiner?»
«Das ist meiner», bestätigte der Dicke, «335i Coupé. Hab ich mir letztes Jahr zum Geburtstag gegönnt.»
Toralf glaubte nicht, dass er selbst sich je so ein Auto zum Geburtstag würde gönnen können, pfiff aber trotz aufkommenden Neids anerkennend durch die Zähne.
«Willste mal drin sitzen?» Der Dicke gab den Großzügigen.
«Das meinst du nicht im Ernst. Mit meinen Arbeitsklamotten sau ich dir das Auto ein.»
«Aber warum denn nicht. Wozu hab ich Ledersitze.» Der Dicke drückte auf den Knopf der Fernbedienung, die Blinker leuchteten kurz auf, und mit einem sanften Klacken entriegelten sich die Türen. Zögernd griff Toralf nach der Tür und setzte sich in das Fahrzeug. Der Dicke stieg auf der Beifahrerseite ein.
Toralf strich bewundernd über das Lenkrad.
«Geil, was?», prahlte der Dicke.
«Da werd’ ich neidisch», gab Toralf unumwunden zu.
«Ist aber noch elektronisch abgeriegelt. Mehr als zweihundertfünfzig ist nicht drin. Wollte ich eigentlich sofort entriegeln lassen, geht aber nicht wegen der Garantie.»
«Reicht ja auch so.» Toralf war immer noch voller Bewunderung.
«Weißt du was, fahr mal eine Runde!»
«Du bist wahnsinnig, das ist ein Fünfzigtausend-Euro-Auto!»
«Mach schon, bevor ich es mir anders überlege.»
Schließlich willigte Toralf ein. So ein Wagen war bestimmt vollkaskoversichert. Der Dicke schlug
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