Bodycheck (German Edition)
das jetzt her? Fünfzehn Jahre? Nee, mehr! Warst du nicht in einem Baustoffhandel untergetaucht?»
Manfred nickte und deutete auf den Schreibtisch. «Und du? Schreibtischhengst geworden?»
«Einer muss die Drecksarbeit ja machen», lachte Volker künstlich, «und irgendwie muss man die Familie eben durchbringen.»
«Familie?»
«Ach, du kennst ja Christina überhaupt nicht. Wir sind jetzt schon im verflixten siebten Jahr. Unser Großer kommt im Herbst zur Schule, und die Kleine ist seit einem Jahr im Kindergarten. Häuschen haben wir auch, draußen in der Nähe von Oldesloe.»
«Wow, ich gratuliere …»
«Und du? Lass mich raten: Du bist immer noch solo? Siehst gut aus, irgendwie durchtrainiert. Von mir kann ich das leider nicht behaupten.»
Stimmt, dachte Manfred. Volker war verdammt in die Breite gegangen und schob ein Bäuchlein vor sich her.
«Manfred, nimm einen guten Rat an und bleib allein. Sonst musst du zu zweit Probleme lösen, die du allein nicht hättest.» Volker lachte wieder sein künstliches Lachen. «Oder bist du doch nicht mehr allein?»
«Wie man’s nimmt. Ändert sich grad.» Manfred hielt die Sammlung Infoblätter in die Höhe.
Volker deutete auf den Kartondeckel. «Was wird das denn?»
«Meisterkurse.»
«Willst du doch wieder raus aus dem Handel, zurück ins Handwerk? Oder hast du ’ne Dachdeckerin aufgerissen? Solche gibt’s ja jetzt.» Volker zog Manfred am Ärmel in Richtung Fenster und deutete hinaus. «Guck mal da. In jedem unserer überbetrieblichen Ausbildungskurse drei Mädels. Sind wirklich welche, auch wenn sie nicht so aussehen.» Draußen standen drei stämmige junge Frauen mit kurzen Haaren und verschmutzter Zunftkleidung. Volker flüsterte Manfred zu: «Aber ich warne dich! Das sind alles Kampflesben!» Wieder das künstliche Lachen.
Manfred schüttelte den Kopf. «Nein, ist für meinen Freund. Der zieht demnächst zu mir. Ist auch Dachdecker.»
«Du machst das richtig. Zwei Kerle in sturmfreier Umgebung. Da werden die Chicks nur so ein- und ausflattern, was?!»
«Eher nicht.» Manfred lächelte mild.
Volker hielt einen Moment inne und sah Manfred von oben bis unten an. «Wie meinst du das …?»
«Wir sind befreundet», antwortete Manfred bestimmt.
Volker sah verdattert und gleichzeitig eine Spur enttäuscht aus. «So richtig befreundet?»
«Das hoffe ich doch.»
«Mensch, Manni, wer hätte das gedacht. Ausgerechnet du. Na, dann pass mal auf, dass der seinen Arsch richtig hochkriegt.» Volkers Lachen war nun noch eine Spur lauter und künstlicher als bisher. Seine Rechte landete auf Manfreds Schulter.
Draußen hupte es. Vermutlich, weil Manfred mit seinem Lkw einen Wagen zugeparkt hatte. Er nahm das zum Anlass, sich rasch zu verabschieden. Erst als der Motor schon lief, fiel ihm auf, dass er soeben Toralf als seinen Freund bezeichnet hatte.
13
Auch am Mittwoch war Toralf mit seinem eigenen Wagen unterwegs. Von der Baustelle aus fuhr er direkt nach Schwerin. Willy Simson wohnte im Süden der Stadt, von der Autobahn war es nicht weit. Toralf parkte den Wagen vor der Plattenbausiedlung und ging an einer Kaufhalle vorbei zum Wohnblock. Willy Simson mochte hierhergezogen sein, als dies noch eine bevorzugte DDR-Wohngegend war. Das hatte sich grundlegend geändert. Vor der Kaufhalle lungerten drei Jungs in Bomberjacke, Bierdosen in der Hand. Ihre laute Unterhaltung verstummte, als Toralf vorbeiging.
«Weitermachen, Männer», bellte er ihnen im Vorübergehen zu, und sie quittierten das mit zustimmendem Grölen.
Willy Simson wohnte im fünften Stock, dennoch nahm Toralf die Treppe. Oben angekommen registrierte er befriedigt, dass er nicht außer Atem war, und klingelte.
Im Türspion war ein Licht zu sehen, dann öffnete sich die Tür einen Spalt weit. Die Kette war vorgelegt. Toralf streckte vorsichtig die Hand aus.
«Hallo, ich bin Toralf. Tach-schön, Herr Simson.»
«Hallo», klang es zaghaft aus der Wohnung.
«Sie müssen keine Angst vor mir haben, ich bin einer von den Guten», sagte Toralf und zwinkerte mit den Augen. Die Kette wurde abgenommen.
«Schönen guten Tag, Toralf. Mein Gott, ich habe auf den ersten Blick wirklich einen Schreck gekriegt.»
Toralf schaute lächelnd zu Boden. «Müssen Sie nicht. Ich mach nur viel Sport und bin etwas kräftiger als andere.»
«Na, das ist wahrhaftig nicht übertrieben.»
Sie setzten sich in Simsons Wohnzimmer. Es war bis unter die Decke mit Büchern gefüllt. Willy Simson war jetzt noch kleiner und
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