Bodycheck (German Edition)
Umfallen müde.
«Lass mich zurückfahren.» Der Chef stieg selbst auf den Fahrersitz. Toralf wehrte sich nicht, und kaum waren sie abgefahren, schlief er tief und fest. Als der Chef ihn wieder weckte, glaubte er, nur einen Moment geschlafen zu haben. Tatsächlich war es schon zehn Uhr durch, und der Wagen stand auf dem Hof der Firma.
Bevor Toralf sich auf den Heimweg machte, ließ er sich von der Chefin einen Becher Kaffee geben. Hastig schlürfte er das heiße Getränk, setzte sich hinter das Steuer seines Golfs und fuhr los. Die Strecke nach Kleinow war ihm so vertraut, dass er den Wagen mit instinktiven Bewegungsabläufen gewissermaßen automatisch lenkte. Nur wenige Minuten noch, und er würde zu Hause im Bett liegen. Plötzlich erschrak Toralf. Ein entgegenkommender Wagen blendete nicht ab. Erst in letzter Sekunde sah er den Gegenstand auf seiner Fahrbahnseite. Er trat mit aller Kraft auf das Bremspedal und hatte ihn doch schon im gleichen Moment überrollt. Dabei bemerkte er nur ein leichtes Rumpeln unter dem Wagen. Der Wagen hielt; Toralf schlug das Herz bis zum Hals. Er drehte die Audioanlage leise. Der pulsierende Druck der Bässe verschwand. Rasch stieg er aus und umrundete das Auto. Nichts zu sehen, die Frontpartie war völlig unversehrt, dort klebten nur Blätter. Er ging ein gutes Stück die Straße zurück und fand die Überreste eines großen beblätterten Asts. Wie auch immer der auf die Straße geraten war, Toralf hatte nur den Ast überfahren, sonst niemanden.
Im Schritttempo fuhr er den Wagen bis zum nächsten Feldweg. Er stieg aus, lehnte sich an den Wagen und atmete tief durch. Die klare Luft der Sommernacht erfrischte ihn. Seine Knie waren immer noch weich. Im nahe gelegenen Wald rief ein Käuzchen. Der Kaffee entfaltete langsam seine Wirkung, und Toralf kam ein wenig zu sich. Das hätte ebenso ins Auge gehen können. Wieder rief das Käuzchen. Kam das nicht aus dem Wäldchen, wo er letztes Wochenende mit Manfred gerungen hatte? Ja, das konnte hinkommen. Eigentlich dumm von ihm, dass er Manfred immer noch nicht angerufen hatte. Stattdessen stand er hier in seinem Kapuzenshirt an der Landstraße. Bin ich etwa zu feige, fragte er sich. Manfred war bestimmt sauer auf ihn. Mit Birthe war sowieso Schluss. Er war ungebunden. Vielleicht sollte er Manfred einfach überraschen? Immerhin hatte er bis Montag frei. Ein langes Wochenende in Hamburg: Warum eigentlich nicht? Toralf stieg wieder in seinen Golf. Die Entscheidung war gefallen. Es ging nach Hamburg, Manfred besuchen. Das wird eine Überraschung! Er drehte die Musik wieder an.
Dumm nur, dass er überhaupt nichts geplant hatte. Hatte keine Anziehsachen dabei, außer der Sporttasche und den Duschsachen darin. Egal, Manfred würde schon was Passendes auftreiben. Ach Manfred … Vielleicht sollte er doch lieber vorher anrufen? Versonnen strich Toralf über das Kapuzenshirt. Wo wohnte Manfred überhaupt? Nach dem Autobahnkreuz Hamburg-Ost nahm er kurz entschlossen die nächste Abfahrt.
Glücklicherweise tauchte sofort eine Tankstelle auf. Toralf stieg aus, streckte sich, tankte den Golf voll und ging mit Manfreds Visitenkarte in der Hand zum Tankstellen-Shop. Dort kaufte er einen Stadtplan sowie ein Sechserpack Bier als Mitbringsel. Der Kassierer sprach zwar schlechtes Deutsch, zeigte ihm aber die Adresse auf dem Stadtplan. ‹Märchenstraße›, das war ganz in der Nähe. Toralf fand die Straße auf Anhieb. Ein kleines Siedlungshaus duckte sich neben das andere. Vielleicht gab es hier auch Eichelhäher. Dann sah er Manfreds Bulli in einer Grundstückseinfahrt. Er parkte seinen Golf neben einem recht neuen Alfa-Romeo. Im Alfa baumelten kleine Boxhandschuhe am Rückspiegel. Wo man die wohl bekam, das könnte ihm auch gefallen.
Die Fenster waren dunkel. Ob der schon pennt? Toralf klingelte, erst zaghaft, dann mit Nachdruck. Niemand öffnete. Schöner Mist! Er konnte unmöglich wieder zurückfahren, dann würde er an einem Baum enden.
An der Hauswand, direkt neben Manfreds Wagen, fiel ihm eine Gartenbank auf. Er holte die Jacke aus dem Wagen, zog sie über und setzte sich auf die Bank. Den Sechserpack stellte er seitlich auf den Boden. Er nahm die Füße hoch und streckte sich aus, den Kopf auf eine Armlehne gestützt. Kaum dass er lag, war er fest eingeschlafen.
18
«Ey, da liegt ’n Penner bei dir vor der Tür!»
Obwohl er sturzbetrunken war, bekam Dennis erstaunlich viel mit.
«Das hat mir jetzt grad noch gefehlt», schimpfte Manfred und
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