Bodyfinder - Das Echo der Toten
ernst. »Wenn es nach mir geht, werden wir nie wieder nur Freunde sein.« Und voller Überzeugung fügte er hinzu: »Ich liebe dich zu sehr, um jetzt wieder zurückzuschalten, Vi.«
Es war immer noch seltsam, wenn er so etwas sagte. Die Worte klangen fremd in Violets Ohren, aber ihr Herz fing an zu rasen, als hätte es immer schon genau darauf gewartet.
Am Abend schauten sie einen der Filme, die Jay ausgeliehen hatte.
Sie kuschelten sich auf dem Sofa aneinander, während ihre Mutter wie üblich eine tief gekühlte Lasagne in den Ofen stellte.
An diesem Abend aßen sie alle zusammen, Violet und Jay und ihre Eltern. Die ganze Zeit unterhielten sie sich über belanglose Sachen und mieden das entscheidendeThema: Es gab immer noch keine Spur von dem Mann, der Violet verfolgt hatte.
Je mehr Zeit seit dem schrecklichen Erlebnis im Wald verging, desto weiter rückte es für Violet in den Hintergrund. Manchmal glaubte sie schon, das wäre alles gar nicht passiert, doch dann erinnerte sie ihr verstauchter Knöchel wieder daran, wie real die Gefahr gewesen war, und ihre Angst kehrte mit aller Macht zurück. Ob der Mörder wohl immer noch hinter ihr her war?
Als Jay an diesem Abend nach Hause fuhr, ging Violet erschöpft und voller Sorge ins Bett. Sie versuchte sich einzureden, dass ihre Furcht übertrieben war, und dass sie wahrscheinlich wirklich nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Genau wie all die anderen Mädchen.
Aber warum konnte sie die nagenden Gedanken, die am Rande ihres Bewusstseins lauerten, dann nicht einfach beiseiteschieben? Warum wurde sie das Gefühl nicht los, dass der Mann im Wald sie abgepasst hatte?
Sie stand auf und schaute nach, ob ihr Fenster richtig zu war. Ihr Blick fiel auf die Straße, und sie sah den Polizisten in seinem Wagen, der sich gerade zurücklehnte. Sie konnte ganz beruhigt sein, niemand würde unbemerkt ins Haus kommen. Auf einem Bein hüpfte sie zum Bett und legte sich hin. Ihren verletzten Fuß konnte sie immer noch nicht belasten.
Sie bemühte sich, die bedrohlichen Gedanken abzustellen, die in ihrem Kopf rasten, bis sie endlich einschlief.
Doch auch im Traum ließ ihre Angst sie nicht los. Sie wurde von einem Mann verfolgt, der so gefährlich war, dass nicht einmal ihr Unterbewusstsein ihm ein Gesicht geben konnte. Sein verhülltes Bild verfolgte sie hartnäckig, ganz gleich, wo sie sich versteckte. Immer wieder versuchte sie ihm zu entkommen, aber er ließ einfach nicht locker.
In der Nacht erwachte Violet mit dem Gefühl, dass die Panik ihr die Brust zuschnürte. Sie überprüfte noch einmal das Fenster und vergewisserte sich, dass der Polizist noch da war. Ihr gesichtsloser Verfolger konnte nicht für immer unerkannt bleiben, eines Tages würden sie ihn fassen.
Doch bis dahin würde Violet immer Angst davor haben, die Augen zu lange zu schließen.
Die restliche Woche war für Violet kaum auszuhalten. Tagsüber lief sie wie eine Schlafwandlerin durch die Schule, und nachts kämpfte sie unruhig mit dem Schlaf. Sie konnte ihre innere Anspannung vor Jay nicht verbergen. Er spürte, was sie bedrückte, ohne dass sie etwas sagen musste.
»Du weißt doch, dass sie ihn finden werden, oder?«, sagte er eines Nachmittags.
»Ja, schon«, entgegnete Violet, aber sie merkte selbst, dass ihre Antwort zu schnell kam und zu fröhlich klang.
Jays Stimme war ernst, als er fragte: »Wirklich, Vi? Ich hab den Eindruck, dass es dich mehr belastet, als du zugeben willst. Ich glaube, du hast Angst, große Angst.«
Es ärgerte sie, dass sie ihre Gefühle vor Jay nicht besser hatte verbergen können, und fragte sich, ob ihre Eltern genauso gut über sie Bescheid wussten wie Jay. »Ja, schon«, sagte sie wieder. Es klang niedergeschlagen. »Ich kann einfach nicht aufhören, daran zu denken … an den Mann. Ich hatte so eine Panik, Jay. Und wenn du nicht nach mir gesucht hättest …« Sie verstummte, sie wollte sich gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn sie mit ihrem Angreifer allein im dunklen Wald gewesen wäre.
Jay biss die Zähne zusammen, als wäre die Vorstellung auch für ihn unerträglich. »Ich weiß, dass du Angst hast. Aber sie werden ihn schnappen und bis dahin behalte ich dich rund um die Uhr im Auge. Ich werde es nicht zulassen, dass dir etwas zustößt.«
Jays Worte konnten sie ein wenig beruhigen und sie fühlte sich ein bisschen besser. »Es ist alles in Ordnung. Ich glaube, die Isolation und diese ganzen Sicherheitsmaßnahmen
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