Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Gegenteil“, lächelt sie über die Naivität dieser Ausländerin mit dem schweren Akzent. Dann fährt sie aber wieder roboterhaft mit dem scheinbar oft erzählten Text weiter: „Die Eigentümer dieser Reservate haben sich strengen Richtlinien unterworfen. Eine Game Lodge hat meistens nur etwa acht Zimmer, die an Gäste vermietet werden dürfen. Die Anzahl der Gäste pro Lodge ist beschränkt, damit die Tiere nicht über Gebühr von den Menschen und ihren Fahrzeugen gestört werden.“
„Aha. Ist das der Grund, weshalb diese Lodges so teuer sind?“
Joylin flattert zweimal mit den Augenwimpern, was auf heftige Denkarbeit schliessen lässt, und entscheidet sich dann offenbar, mir die ganze Wahrheit anzuvertrauen, allerdings nur fast flüsternd und zu mir vorgebeugt: „Safaris sind halt auch bei Reichen und Prominenten sehr beliebt. Die ganz, ganz teuren Übernachtungspreise erklären sich daher. Die extrem teuren Game Lodges können eigentlich gar nicht mehr bieten als Exzellenz im Wohnen, Essen und bei der Tierbeobachtung. Aber diese abschreckenden Preise sorgen dafür, dass die Claudia Schiffers und George Bushs dieser Welt unter sich in ihrem exklusiven Kreis bleiben. Elton John verbringt zum Beispiel immer seine Weihnachtsferien im Krügerpark!“
Lukas argumentiert ganz vernünftig, dass er sich lieber die wilden Tiere als die wilden Stars anschauen will, und so buchen wir uns nicht in der absolut besten und teuersten, sondern in einer netten kleineren Game Lodge ein, in Kambaku Safari Lodge.
Tim ist im siebten Himmel, bevor wir überhaupt angekommen sind. Er thront wie ein König im Auto, das Fernglas um den Hals gehängt, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Leider hält er das nur eine gute Viertelstunde durch, bis die obligate Frage gestellt wird: „Wann sind wir endlich da?!“. Die korrekte Antwort ist: in rund fünf Stunden. Könnte jedenfalls klappen, wenn wir nicht unterwegs so oft anhalten müssen, weil jemand von der Rückbank etwas will oder muss.
Nachdem wir uns beim Eingangstor zum Timbavati Game Reserve angemeldet haben, müssen wir unsere Fahrt auf einer Sandpiste fortführen. Und werden eindringlich gewarnt, dass wir jetzt schon mitten im Tierreservat sind und jederzeit von wilden Tieren überrascht werden könnten. Wir sind alle schon ganz aufgeregt, ausser Max, der hinten kräht und das Ende der Reise kaum erwarten kann.
Offenbar werden neue Gäste in der Kambaku Safari Lodge mittels Willkommenstrunk und warmem Handtuch nebst Begrüssungskomitee willkommen geheissen, bestehend aus Managerin, Ranger und Tracker . Ich kann das nur aus dem Augenwinkel wahrnehmen, weil ich mich ohne Aufschub um zwei kleine Jungs kümmern muss, von denen einer sofort! jetzt! seine Milchflasche und der andere sofort! jetzt! das Wasserloch auskundschaften und die ersten Tiere sehen will.
Obwohl die beiden in ihrer Aufregung wohl nicht gerade einen guten ersten Eindruck hinterlassen haben, bietet uns das Zimmermädchen an, Tim und Max während den Ausfahrten im Landrover zu hüten. Sie kann sich so den Lohn aufbessern, und wir erkaufen uns jeweils drei störungsfreie spannende Stunden.
Schon am Nachmittag geht es los, unsere allererste Safari-Ausfahrt, genannt Game Drive . Es ist richtig abenteuerlich: Der Landrover hat kein Dach und keine Autotüren, die Gäste sitzen in drei ansteigenden Bankreihen hinter dem Fahrer. Wir sind zu viert: ein älteres südafrikanisches Paar aus Johannesburg, Lukas und ich. Begrüsst werden wir von unserem Ranger, Riaan. Er erklärt uns die Spielregeln: Kein Schreien, kein Aufstehen, kein Herauslehnen und auf keinen Fall das Fahrzeug verlassen. Ausser wir werden ausdrücklich dazu aufgefordert. Der Mann, der vorne auf der Kühlerhaube des Fahrzeugs sitzt, ist unser Tracker , mit Namen Ndaniso. Er wird das Wild sichten und Spuren lesen. Dann dürfen wir den Landrover erklimmen und es uns in rund eineinhalb Metern Höhe bequem machen. Riaan platziert derweil sein Gewehr auf dem Armaturenbrett.
Los geht es – aber weit kommen wir nicht. Schon nach ein paar Metern halten wir bei einer kleinen Herde Reh-artiger Huftiere, die in der Auffahrt von Kambaku grasen. Fast hat man den Eindruck, dass sie zur Game Lodge gehören. So perfekt gestriegelte und geschorene Tiere sind doch sicher nicht wild?! Riaan behauptet schon. „Diese Antilopen heissen Impala. Sie sind hier im Park sehr weit verbreitet, deshalb werden wir nicht jedes Mal anhalten, wenn wir eine Herde sehen.“ Und dann
Weitere Kostenlose Bücher