Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brühwiler
Vom Netzwerk:
dem Spielplatz und hält ein Schwätzchen mit anderen Maids, und ich habe noch eine Stunde für Telefonate oder um E-Mails zu schreiben. Jetzt bin ich wieder glücklich.
    Beauty wohnt mit ihrer Familie in Diepsloot, einem nahen township . Sie hat drei Jungs, wobei der Älteste, Sipho, wie sie es nennt, aus ihrer Teenage-Schwangerschaft stammt, mit einem Vater, von dem Beauty nicht weiss, wo er sich jetzt befindet. Er wächst, natürlich, bei den Grosseltern auf, in der Nähe von Pretoria. Manchmal kommt er zu Besuch nach Diepsloot, doch dann streitet er sich gemäss Beauty viel mit seinen jüngeren Halbbrüdern Kemong und Themba. Diese beiden wachsen bei Beauty und ihrem Vater auf. Mir scheint, dass Beauty auch deshalb so gut mit meinen Kindern umgehen kann, weil sie eben selber Kinder aufzieht. Beautys Mann, wie ich ihn nenne, ist strikt gesprochen nur ihr langjähriger Freund. Wenn sie von ihm spricht, dann nennt sie ihn nicht beim Namen, sondern sie sagt „ Themba’s father “. Der Einfachheit halber nenne ich ihn trotzdem „ your husband “, wenn wir plaudern. Verheiratet ist Beauty nicht, denn eine Heirat kostet, wie sie mir erklärt, viel Geld. Erstens muss der Bräutigam der Familie der Braut eine Kuh spendieren, für die traditionelle Heirat, als Brautgeschenk, lobola genannt. Danach folgt die zivile Heirat, und schliesslich, nach Möglichkeit, noch eine kirchliche Heirat in Weiss.
    Mir scheint, aber ich wage nicht zu fragen, dass Beautys Mann nicht besonders interessiert ist an einer Hochzeit. Beauty hat mir nämlich erzählt, dass sie und ihre anderen Geschwister die kirchliche Hochzeit ihrer jüngeren Schwester bezahlen mussten. Da müsste sie doch Gegenrecht von ihrer Schwester erhalten? Der Bräutigam müsste sich also vor allem auf die Kuh konzentrieren, und das hat Beautys Mann bisher nicht gemacht. In naher Zukunft wird er das wohl auch nicht, weil er seit einigen Monaten arbeitslos ist.
    „Beauty, warum kann denn Dein Mann keinen Job an der Tankstelle kriegen, die vom Mann Deiner Schwester gemanagt wird?“
    „ Eeish, no , das geht nicht. Die beiden sind ja von der gleichen Familie! Ein kleineres Unternehmen kann doch nicht mehrere Mitglieder derselben Familie einstellen!“ Hoffentlich schaue ich nicht so entgeistert, wie ich mich fühle. Meine Vorurteile haben gerade einen Schlag in die Weichteile gekriegt. Lebe ich nicht auf dem Kontinent der Korrup-tion und Sippenwirtschaft? Doch Beauty ist noch nicht fertig mit ihrer Erklärung: „Wenn eine Beerdigung stattfindet, dann würde ja niemand zur Arbeit erscheinen!“

    Beerdigungen spielen, wie ich im Laufe der Zeit herausfinde, eine grosse Rolle in Beautys Leben. Das hat verschiedene Gründe: Einer ist zum Beispiel, dass ihre nähere und weitere Familie sehr viel mehr Mitglieder aufweist als meine, die ich mit nur einer Schwester aufgewachsen bin. Dazu kommt dann noch eine grosszügig gefasste Sicht einer Sippe, und siehe da, Beautys Verwandtschaft füllt schon eine Kleinstadt, während meine bequem in ein Klassenzimmer passt. Im übrigen besucht Beauty scheinbar recht gerne Beerdigungen und reist dafür sogar beträchtliche Distanzen, denn bei diesen Anlässen muss die Trauerfamilie zünftig auftischen, das scheint die Tradition vorzuschreiben. Insbesondere auch Getränke. Schwierig für die nächsten Verwandten, denke ich mir. Erst stehen sie trauernd am Grab des lieben Verstorbenen, und danach müssen sie auch noch zuschauen, wie ihr Erbe durch die Kehle einer hungrigen und durstigen Menge rinnt, die sich bis zur Besinnungslosigkeit amüsiert.
    Der traurige Grund für die vielen Beerdigungen ist aber natürlich
die hohe Sterblichkeit. Viele Menschen hier sind arm, was das
Risiko eines frühen Todes stark erhöht. Schlechte Hygiene und
Ernährung spielen ebenfalls eine Rolle in der Sterblichkeitsrate. Die südafrikanische Regierung schreibt deshalb zum Beispiel vor, dass das Maismehl, mit dem der alltägliche mealie-pap zubereitet wird, vitaminisiert sein muss – das hilft, ersetzt aber natürlich keine ausgewogene Ernährung.
    In einem anderen Punkt hat die südafrikanische Regierung aber leider kläglich versagt: In der Behandlung von AIDS. Der ehemalige Minis-terpräsident Mbeki liess noch vor wenigen Jahren öffentlich verlautbaren, dass AIDS nur eine Erfindung der rassistischen Weissen sei, um die Schwarzen weiterhin zu knechten. Das führte zu einem internationalen Aufschrei, änderte aber leider die Meinungen im eigenen Land nicht

Weitere Kostenlose Bücher