Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
prima Ausrede, um sich auf eine trockene Terrasse zurückzuziehen, sich in einen bequemen Sessel sinken zu lassen und sich ein Glas kühlen Chardonnay zu genehmigen. Nur aus Gesundheitsgründen, natürlich. Cheers !
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Ausgleichende Gerechtigkeit
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Manchmal kann ich Lukas begleiten zu geschäftlichen Anlässen, bei denen auch Partner zugelassen sind. Als nette Abwechslung zum Alltag als Mutter und Hausfrau kann ich meine möglichst-bequeme-Jeans-und-T-Shirt-Kluft eintauschen gegen etwas Schickeres, um dann leicht schwankend auf hohen Absätzen neben meinem Mann herzustöckeln. Aufregend sind diese Anlässe selten, aber uninteressant sind sie auch nicht.
An einem Donnerstag im November sind wir zum Beispiel eingeladen zu einem Abendanlass, der von einem grossen internationalen Industriekonzern gesponsert wird. Es findet im Westcliff Hotel statt, das rosarot und putzig auf mehreren Ebenen an einem steilen Hügel gebaut ist, mit bester Aussicht auf die northern suburbs , das Johannesburger Stadtzentrum und sogar den Zoo.
An diesem Abend wird der Start eines Programms gefeiert, mit dem ausländische Firmen Südafrikanern eine Ausbildung in technischen Berufen offerieren.
Auch KehlTech, die ja eine Industriegesellschaft ist, nimmt an diesem Programm teil und bildet in ihrer Firma südafrikanische Lehrlinge zu Schlossern, Spenglern und Schweissern aus.
Ein südafrikanischer Minister ist als Gastredner eingeladen, ein älterer Herr indischer Herkunft, anscheinend ein alter Freund des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki. Er bleibt mir in ziemlich schlechter Erinnerung, weil seine Rede so fehl am Platz ist.
Nach einer kurzen Einleitung mit viel zu vielen Zahlen, die seine Zuhörer schon mal glasige Augen kriegen lassen von der Anstrengung, doch noch interessiert zu gucken, schwenkt er über auf den Kampf gegen die Apartheid. Den struggle , über den er sich während 15 Minuten auslässt. Zwar wichtig und interessant - aber warum wählt er dies als Redeinhalt für den heutigen Abend, wo wir als Ausländer doch mit der Apartheid nichts am Hut haben? Warum muss ausgerechnet dieser Minister auf diesem Thema herumreiten? Er, der notabene gar nicht tief in den struggle involviert war, sondern in London im Exil aufwuchs und die besten Universitäten besuchte, während andere für den Kampf gegen die Apartheid während Jahren im Gefängnis schmorten oder sogar starben? Und vor allem: Weshalb ist der struggle heute sein Hauptthema, nachdem doch die Regierung des Herrn Minister schon deutlich mehr als ein Dutzend Jahre in Südafrika an der Macht ist?
Im kurzen dritten Teil seiner Rede fordert der Herr Minister sozialwirtschaftliche Änderungen im Land, insbesondere dass die Getreideproduzenten ihre Produkte für tiefere Preise verkaufen, damit Brot und Maismehl billiger werden. Spätestens in diesem Moment fühlt sich der geneigte Zuhörer ein bisschen an die Herrschaft von Robert Mugabe in Simbabwe erinnert, der den Verkäufern von Grundnahrungsmitteln so tiefe Verkaufspreise vorschrieb, dass diese zwangsläufig die Produktion einschränkten oder gar stoppten. Sie mussten im Einkauf mehr für die Produkte bezahlen, als sie im Verkauf dafür kriegen konnten, und zahlten so für jedes verkaufte Brot teures Geld. Schon ein Primarschüler hätte den Fehler im System begriffen, doch das Staatsoberhaupt liess seinen Plan einfach mit Gewalt durchboxen, bis die Geschäftsleute kollabierten.
Schade, wenn ein Vertreter der südafrikanischen Regierung so auftritt.
Schade, wenn er sich überhaupt nicht auf das Thema des Abends einlässt.
Schade, wenn er nur über die Vergangenheit spricht.
Schade, wenn er als Pünktchen auf dem i auch noch abstruse wirtschaftliche Pläne vertritt.
Wie überall auf der Welt wird auch in Südafrika kräftig über die Regierung geschimpft. Hier vielleicht noch ein bisschen mehr, weil die Apartheid-Südafrikaner jahrelang ihre egoistische Lebensweise damit geschützt haben, dass die Schwarzen zu wenig intelligent seien, um für sich selber zu schauen. Und jetzt werden sie von Schwarzen regiert.
Tatsache ist, dass die ANC-Regierung seit dem Ende der Apartheid-Ära ihre Sache sehr gut gemacht hat.
Aussenpolitisch hat der erste schwarze südafrikanische Staatspräsident, Nelson Mandela, die Sympathien und die Hilfe aller anderen Staaten der Welt für Südafrika sichern können - und dies, nachdem das Land während der Apartheid jahrelang isoliert in der Welt dagestanden
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