Böse Dinge geschehen
ich. Und so wird das von jetzt an immer sein, wenn jemand ein Kleidungsstück im Wald findet oder ein Stück Erde entdeckt, das so aussieht, als hätte man dort etwas vergraben. Sie müssen mir sagen, wo Sean Wrentmore zu finden ist.«
|285| »Dazu bin ich noch nicht bereit«, sagte er.
Sie lauschte, wie der Wind in die Zweige des Forsythienstrauchs neben der Veranda fuhr.
»Ich weiß«, sagte sie. »Wrentmore ist Ihr Unterpfand. Sie wissen, wo er liegt, und Sie glauben, Sie können diese Information später für einen Handel mit der Staatsanwaltschaft nutzen.« Die nackten Forsythienzweige schabten am Holz des Geländers entlang. »Sie werden zu Unrecht verdächtigt, Michael Beccanti erstochen zu haben, und Sie glauben, Sie können herausfinden, wer ihn wirklich umgebracht hat, und vielleicht bei der Gelegenheit auch gleich noch den Mord an Tom Kristoll aufklären. Aber das wird alles nicht geschehen. Und wissen Sie, warum?«
»Ja«, sagte er, ohne zu zögern.
»Weil es nicht um eine Geschichte aus
Gray Streets
geht«, sagte sie. »Hören Sie, Sie wissen, dass ich recht habe. Sie sollten sich jetzt stellen und mir sagen, wo Wrentmore ist, und dann sehen wir weiter.«
»Ich werde darüber nachdenken. Geben Sie mir noch ein paar Tage Zeit.«
»Denken Sie nicht darüber nach. Tun Sie es einfach. Ich bin jetzt bei Ihrem Haus. Ich warte hier auf Sie. Wir finden einen Weg.«
Er machte eine Pause, und diese Pause gab ihr Hoffnung, aber nur für einen Moment.
»Sehr verlockend«, sagte er, »aber ich bin noch nicht so weit. Noch ein paar Tage.«
Nicht einmal fünf Kilometer entfernt drückte Loogan den Ausknopf an seinem Handy und steckte es in die Tasche. Er sah auf Tom Kristolls Grabstein hinunter, drehte sich dann um und ging über den Friedhofsrasen zu seinem Wagen. Er fuhr die gewundene Straße entlang zum Tor und dann weiter in östlicher Richtung in die Innenstadt von Ann Arbor.
Ein paar Minuten später gelang es ihm in einer Nebenstraße, |286| einen gebührenpflichtigen Parkplatz zu ergattern. Er lief zwei Blocks bis zur Main Street, betrat ein Café und fand einen Tisch ganz am Fenster. Von dort konnte er auf das Gebäude sehen, in dem die Redaktion von
Gray Streets
lag.
Sein eigenes Gesicht starrte ihn von einem liegen gebliebenen Exemplar der
Ann Arbor News
an. Er faltete die Zeitung zusammen und lächelte ein Mädchen an, das an einem anderen Tisch Kafka las. Ihre Mundwinkel hoben sich kurz, bevor sie sich wieder ihrem Buch zuwandte. Das Foto in der Zeitung war sowieso schon ziemlich schlecht gewesen, und jetzt sah es ihm noch weniger ähnlich. Er hatte sich den Kopf rasiert und sich im Drogeriemarkt eine Lesebrille gekauft – schwarzes Plastikgestell und die schwächsten Gläser, die er finden konnte. Er sah jedem anderen Mann mit rasiertem Schädel und Brille sehr ähnlich.
Einen Augenblick später öffnete sich die Eingangstür des
Gray
Streets
-Gebäudes, und eine Frau trat heraus. Sandy Vogel trug einen langen marineblauen Mantel, und über ihrer Schulter hing eine Handtasche. Sie lief die Main Street entlang, und als sie außer Sichtweite war, stand Loogan auf. Er lächelte das Mädchen, das Kafka las, noch einmal an, schob sich zum Klang der Türglocken nach draußen und überquerte die Straße.
Elizabeth klappte ihr Handy zu und erhob sich von der Verandaschaukel. Sie hatte im Dezernat angerufen und mit McCaleb gesprochen. Sie hatte erfahren, dass Loogans Handyanbieter den Anruf zu einem Gebiet im Westen von Ann Arbors zurückverfolgt hatte, in die Nähe der Kreuzung von Wagner und Jackson Road. Tom Kristoll war auf einem Friedhof an der Jackson Road begraben worden. Loogan hatte ihr die Wahrheit gesagt. Sie überlegte, ob sie dorthin fahren und ihn suchen sollte, aber inzwischen wäre er fort. McCaleb hatte außerdem schon Streifenwagen losgeschickt, die das Gebiet durchkämmen sollten.
Als sie die Stufen von Loogans Veranda herunterlief, fiel ihr ein Stück weiter auf der anderen Straßenseite ein Wagen auf. |287| Die Fahrertür öffnete sich, und ein Mann stieg aus – für einen Augenblick hatte sie das verrückte Gefühl, es wäre Loogan. Dann sah sie, dass es ein alter Mann in einem zerknitterten Anzug war, ein Mann mit grauen, über den Schädel gekämmten Haaren: Roy Denham, der Detective aus Nossos, New York.
Er warf die Tür zu und lehnte sich müde gegen seinen Wagen. Er lächelte, als sie näher kam, und dieses Lächeln veränderte sein Gesicht mit den faltigen
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