Böse Dinge geschehen
hatte den Eindruck, eines seiner Lider zucken zu sehen – ein Zeichen für seine Anspannung, aber kaum ausreichend, um einen Mann zu verurteilen. Als er sie wieder ansah, wirkte er gefasst. »Werde ich meinen Anwalt brauchen?«, sagte er mit freundlicher Miene.
»Wie Sie wünschen«, erwiderte Elizabeth. »Aber ich werde Ihnen keine Fragen stellen. Ich werde Ihnen stattdessen eine Geschichte erzählen. Sie müssen bloß zuhören.«
Er machte eine ausladende Geste. »Fangen Sie an.«
Elizabeths Finger berührten die Glasperlenkette an ihrem Hals. »Manches ist reine Spekulation«, sagte sie. »Nehmen wir einmal an, dass Sean Wrentmore sehr wohl an Anerkennung gelegen war. Er war der Autor dreier Kendel-Romane, und er wollte, dass das bekannt wurde. Aber er wollte auch das Geld, das er verdiente, die Vereinbarung, die er geschlossen hatte. Ihm war daran gelegen, dass es so weiterging, und das bedeutete, stillzuhalten. Aber Wrentmore sah sich als einen seriösen Schriftsteller. Seriöse Schriftsteller sehen die Dinge etwas weiter gefasst. An irgendeinem Punkt – am Ende seines Lebens oder nach seinem Tod – würde diese Vereinbarung keine Rolle mehr spielen. Dann würde er wollen, dass die Leute wussten, wer er war.
Wie konnte er das erreichen? Zunächst brauchte er Beweise. Nehmen wir an, er hatte noch die Originalmanuskripte seiner Kendel-Romane – die Manuskripte mit seinen handschriftlichen Korrekturen. Nehmen wir an, er hat sie in Umschläge gepackt und sie per Einschreiben an sich selbst geschickt. Auf diese Weise gäbe es ein nachprüfbares Datum. Es würde beweisen, dass er sie nicht von bereits veröffentlichten Texten kopiert hätte. Es wären keine Fälschungen, sondern er war nachweislich der Autor.
Außerdem musste er die Manuskripte natürlich an einem |314| sicheren Ort verwahren. Er beschloss, sie nicht in seiner Wohnung aufzubewahren – über den Grund dafür kann ich nur spekulieren. Wenn er starb, würde seine Familie seine Wohnung übernehmen, und er stand seiner Familie nicht nahe. Vielleicht wollte er ihr sein Geheimnis nicht anvertrauen.
Das Versteck, für das er sich entschied, war eine feuerfeste Kiste an einem Ort namens Self-Storage USA, Raum 401. Nun brauchte er einen Komplizen, jemanden, der seine Wünsche befolgte, wenn er nicht mehr war. Schließlich entschloss er sich für zwei Komplizen. Keiner wusste von dem anderen. Jedem gab er einen Schlüssel zu seinem Lagerraum und bat ihn, dorthin zu fahren, falls ihm irgendetwas widerfahren sollte. Sie würden wissen, was dann zu tun wäre, weil er seine Instruktionen in der Kiste mit den Manuskripten hinterlassen hatte. Unschwer, zu erraten, was das wohl für Instruktionen waren: Alarmiere die Presse. Ruf
Publishers Weekly
an – oder wen man eben anruft, wenn man klarstellen will, dass der wahre Autor der letzten Kendel-Romane Sean Wrentmore war.«
Hifflyn musste lächeln, sagte aber nichts.
Elizabeth fuhr fort. »Und so nehmen seine Komplizen die Schlüssel in Empfang und akzeptieren auch Wrentmores Bitte. Vielleicht sind sie neugierig, aber dann doch nicht so neugierig, um tatsächlich zu Self-Storage USA rauszufahren und nachzuschauen, was da zu finden ist. Sean ist manchmal ein bisschen komisch, und ihm entgegenzukommen, tut niemandem weh. Außerdem wird ihm sowieso nichts geschehen.
Aber dann passiert etwas. Wrentmore hat dieses Manuskript – dieses sperrige Ding, an dem er schon seit Jahren arbeitet.
Lügen, Diebe und unschuldige Menschen
. Er zeigt es Kristoll, und Tom versucht, ihm einen Gefallen zu tun. Er kürzt den Roman auf eine realistische Länge herunter. Adrian Tully hilft ihm dabei. Aber Wrentmore reagiert nicht gut auf diese Kürzungen und Eingriffe. Es ist eine Frage des Stolzes – und er hat Grund, stolz zu sein, oder nicht? Er ist der Autor zweier veröffentlichter Romane, |315| und ein dritter wird in Kürze erscheinen. Toms Lektorat – all diese drastischen Kürzungen – es nervt ihn an. Es gibt Streit, der weiter ausufert, als sich irgendjemand hätte vorstellen können. Am Ende ist Wrentmore tot.
Aber sein Tod wird geheim gehalten. Tom vertuscht ihn. Adrian Tully weiß Bescheid, denn er ist derjenige, der Wrentmore mit der Scotch-Flasche niedergeschlagen hat. Laura Kristoll weiß es, weil Tom es ihr erzählt hat. David Loogan weiß es nicht – obwohl er Tom dabei hilft, den Leichnam wegzuschaffen. Tom beschließt, ihn im Unklaren zu lassen.«
Elizabeth machte eine Pause. Sie beobachtete Carter
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