Böse Dinge geschehen
verschränkte die Arme. Eine Brise zerzauste sein dichtes graues Haar.
Aus dem zweiten Wagen stieg Casimir Hifflyn. Er wechselte ein paar Worte mit Chatterjee und ging dann über den Rasen. Er trug einen schwarzen Anzug, und der Wind spielte mit den Aufschlägen seines Jacketts, das er geöffnet hatte. Darunter trug er ein hellgraues Hemd, auf eine Krawatte hatte er verzichtet.
Als er näher kam, grinste er schüchtern und neigte den Kopf, aber als er vor Elizabeth stand, sah er ihr in die Augen. »Hallo, Detective.«
»Mr Hifflyn. Danke, dass Sie gekommen sind.« Sie blickte an ihm vorbei auf Chatterjee. »Ihr Anwalt kann ruhig dazukommen, wenn Sie wünschen. Sie müssen ihn nicht beim Auto stehen lassen.«
|311| »Wenn es nach ihm ginge, würde ich überhaupt nicht mit Ihnen reden, aber wir haben uns auf ein Vorgehen geeinigt. Sobald Sie anfangen, mir meine Rechte vorzulesen, muss ich ihn holen.«
»Dann werde ich versuchen, darauf zu verzichten«, sagte Elizabeth.
»Das ist besser, ein Gespräch unter vier Augen. Es ist dramatischer.« Hifflyn blickte auf die Rosen am Boden. »Sie müssen ein Gespür für Dramatik haben, sonst hätten Sie mich nicht gebeten, Sie auf einem Friedhof zu treffen – an der Grabstätte meines Freundes –, ohne mir zu erklären, warum.«
Er sah noch einmal auf, und sein Lächeln ließ kleine Fältchen in seinen Augenwinkeln entstehen. »Na ja, jetzt bin ich da. Worüber wollen wir sprechen?«
»
Kendels Schicksal
«, sagte Elizabeth.
Er nickte nachdenklich. »Das ist ein dramatisches Thema.«
»
Kendels Schicksal
ist der Titel Ihres jüngsten Buches. Es kommt Ende des Monats als Hardcover heraus.«
»Gerade rechtzeitig zu den Ferien.«
»Letzten Monat hat sich Sean Wrentmore die Worte ›Kendels Schicksal‹ auf seinen linken Arm tätowieren lassen«, sagte Elizabeth. »Warum, glauben Sie, hat er das wohl getan?«
Hifflyn strich mit der rechten Hand über seinen kurz geschnittenen Bart.
»Ich vermute, Sie werden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, dass er ein wirklich großer Fan von mir war.«
»Nein.«
»Dann ist die Alternative ja offensichtlich«, sagte er. »Sean Wrentmore war Schriftsteller.«
Elizabeth nickte. »Er war ein unbekannter Schriftsteller, dessen monatliches Einkommen aus einer unklaren Quelle stammte. Und Sie sind ein berühmter Schriftsteller, der unter einem straffen Termindruck schreibt. Sie müssen Lesungen machen und Vorträge halten, und man erwartet von Ihnen, dass Sie |312| mindestens einen Roman pro Jahr herausbringen. Und genau das haben Sie getan – achtzehn Bücher in den letzten siebzehn Jahren. Zehn Romane und acht Kendel-Krimis. Wie viele davon hat Wrentmore geschrieben?«
»Bloß drei«, sagte Hifflyn und hob dabei leicht die Schultern. »Die letzten drei Kendel-Bücher.«
»Wie viel haben Sie ihm dafür bezahlt?«
»Wir haben uns das Geld hälftig geteilt. Vielleicht hätte er mehr verdient – er hat die Worte aufs Papier gebracht. Aber ich habe die Figur erfunden, und das Buch hat sich mit meinem Namen auf dem Umschlag verkauft. Ich glaube, er war froh über das, was er bekommen hat. Es war mehr Geld, als er je zuvor gesehen hat.«
»Aber er hat nie irgendeine Anerkennung bekommen.«
Der Wind wehte Blätter über den Rasen. Hifflyn folgte ihnen mit dem Blick.
»Ich weiß gar nicht, ob er die unbedingt wollte. Sean war ein introvertierter Mensch. Ich glaube, er wäre bei einer Lesung oder einer Signierstunde völlig fehl am Platze gewesen.«
»Dennoch muss es ihn gestört haben«, sagte Elizabeth. »Er schrieb Romane, die auf die Bestsellerliste kamen, und er konnte es niemandem erzählen. Das war Teil der Abmachung, richtig?«
»Ja, klar.«
»Alles, was er hatte, waren leere Gesten – zum Beispiel, sich den Titel seines Romans auf den Oberarm tätowieren zu lassen. Wussten Sie das?«
Hifflyn sah Elizabeth an. »Nein.«
»Er hatte sich die Wörter in Spiegelschrift eingravieren lassen, damit er sie im Spiegel lesen konnte. Das sagt etwas über sein Wesen aus, meinen Sie nicht?«
»Doch, wahrscheinlich schon.«
»Vielleicht haben Sie unrecht, wenn Sie meinen, dass er keine Anerkennung wollte. Ich glaube, er wollte sie schon – selbst wenn er dabei gemischte Gefühle hatte.«
|313| »Das kann sein.«
»Ich denke, wir beide wissen, dass dem so ist«, sagte Elizabeth. »Und darin liegt auch der Grund für Tom Kristolls Tod.«
Elizabeth beobachtete Hifflyns Reaktion. Er sah weg und blickte auf das Grab. Sie
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