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Böse Dinge geschehen

Böse Dinge geschehen

Titel: Böse Dinge geschehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dolan
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man, um ein Buch aus dem Regal zu ziehen? Eine Sekunde? Zwei? Lange genug auf jeden Fall, um zu beschließen, dass Tom den Tod verdiene. Die Tat selbst dauerte nicht viel länger. Der erste Schlag war nicht hart genug. Tom schüttelte ihn ab und fragte mich verblüfft, was zum Teufel ich da machte. Der zweite warf ihn um. Danach ging alles wie von selbst: Ich habe das Fenster geöffnet, ihn bis zum Sims gehoben und rausgestoßen. Es blieb überhaupt keine Zeit nachzudenken.«
    Hideaway hob die freie Hand und fuhr sich mit seinen dicken Fingern durch das weiße Haar. »Dennoch habe ich seitdem viel darüber nachgedacht. Ich bedaure, was geschehen ist, aber es will mir einfach nicht gelingen, deshalb Schuldgefühle zu haben. Man könnte sagen, dass Tom es selbst heraufbeschworen hat. |373| Als er beschloss, zur Polizei zu gehen, brachte er mich in Gefahr. Mein Verleger wusste nichts von Sean. Käme die Wahrheit heraus, wäre meine Schriftstellerkarriere zu Ende. Tom war also eine Bedrohung für mich, was meinen Ruf und meine Existenz anging. Ich habe sozusagen aus Notwehr gehandelt.«
    Elizabeth sah, dass Hideaway sie beobachtete, als wollte er ihre Reaktion ermessen. »Sie lügen sich selbst in die Tasche«, sagte sie leise. »Sie waren nicht in einer lebensbedrohlichen Lage. Das war keine Notwehr.«
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er. »Aber Notwehr ist ein schwammiger Begriff. Was Mr Loogan dem Sohn dieses Mannes   – Peltier – angetan hat – würden Sie das Notwehr nennen?«
    Elizabeth lehnte sich an den Baum und dachte über die Frage nach. Aber bevor sie noch darauf antworten konnte, schaltete Loogan sich ein.
    »Nein«, sagte er.
    Hideaway wandte sich ihm zu. »Wie wollen Sie sich dann rechtfertigen?«
    »Das tue ich gar nicht.«
    »Aber Sie müssen doch einen Grund für Ihre Tat gehabt haben.«
    »Ich wollte, dass er tot ist.«
    »Eine schnörkellose Antwort«, sagte Hideaway. »Dann können wir es vielleicht so stehen lassen: Ich wollte, dass Tom tot ist.« Er sah Elizabeth offen an. »Ich werde keine Ausflüchte machen, genauso wie Mr Loogan keine Ausflüchte gemacht hat. Er hat den Sohn erstochen und dem Alten etwas vorgemacht, als er versprach, ihm die letzten Worte seines Sohnes zu verraten. Das war natürlich keine große Lüge, aber eine grausame.«
    »Es war in Wirklichkeit gar keine Lüge«, sagte Loogan von der Lichtung aus. »Peltiers Sohn hat wirklich noch etwas gesagt, bevor er starb, sogar eine ganze Menge.«
    »Wirklich? Was denn?«
    »Ich weiß es nicht. Er hatte da schon den Mund voller Blut |374| und konnte nur noch nuscheln. Ich habe kein Wort verstanden.« Loogan machte eine nachdenkliche Pause, stützte sich auf die Schaufel und fügte todernst hinzu: »Finden Sie, das hätte ich seinem Vater erzählen sollen?«
    Außer dem Geräusch des Windes auf der Lichtung und dem Schweigen des Dunstes war nichts zu hören. Und dann legte Nathan Hideaway den Kopf in den Nacken und lachte leise. Er schien gar nicht mehr aufhören zu können. Irgendwann aber stand er auf und lief wortlos hin und her. Nur einmal blieb er stehen, schüttelte sein weißgekröntes Haupt und meinte: »Der bemerkenswerte Mr Loogan.«
    Elizabeth schob die Spitze des Zweiges erneut in eins der Schlösser ihrer Handschellen. Aber ihre Bewegungen waren mechanisch, und sie war mit ihren Gedanken woanders. Sie dachte an ihre Tochter, die zu Hause auf sie wartete, dachte an die Möglichkeit, dass Sarah sie vielleicht nie wiedersähe. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, was Hideaway vorhatte. Er würde Loogan arbeiten lassen, bis er den Grund des Grabes erreicht hatte, und dann würde Loogan Sean Wrentmore exhumieren müssen. Schließlich würde der schwarze Revolver ins Spiel kommen – eine Kugel für Loogan, eine Kugel für sie. Danach konnte sich Hideaway in aller Ruhe mit Wrentmores Tattoos befassen, er hatte schließlich James Peltiers Messer. Dann würde er das Grab wieder zuschaufeln, in dem nun drei Leichen lägen. Und den Pfad hinunter zu seinem Auto gehen und davonfahren, und nichts würde ihn mit diesem Verbrechen in Verbindung bringen, nichts außer zwei Glasperlen, die niemand je finden würde.
    Elizabeth sah David Loogan an, der inzwischen bis zu den Hüften in der Erde stand. Sie beobachtete, wie sich seine Arme und Schultern bewegten und wie sich das Blatt des Spatens hob. Sie spürte, wie der Zweig zwischen ihren Fingern zerbrach, denn ein Zweig ist ein armseliges Werkzeug, um ein Schloss zu knacken.

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