Böse Dinge geschehen
wir sie finden, und Loogan gleich mit, wenn wir schon dabei sind.«
Das Problem, David Loogan zu finden, hatte Elizabeth in hohem Maße in Anspruch genommen. Den ganzen Nachmittag über war sie immer mehr zu der Einsicht gelangt, dass sie eigentlich sehr wenig über ihn wusste. Woher kam er überhaupt? Wo hatte er gelebt, bevor er nach Ann Arbor gezogen war? Was für eine Arbeit hatte er gemacht, bevor Tom Kristoll ihn als Lektor angestellt hatte?
Die einzige Verbindung zu seiner Vergangenheit, die sie hatte, war der Geschichtsprofessor, von dem er das Haus gemietet hatte. Dieser Professor war in Frankfurt, und Elizabeth hatte mit ihm telefoniert. Aber der Mann kannte Loogan persönlich überhaupt nicht. Loogan hatte das Haus aufgrund einer Anzeige übers Internet gemietet. Der einzige Hinweis, den der Professor ihr geben konnte, war Loogans frühere Adresse – eine |244| Wohnung in Cleveland – und der Name seines dortigen Vermieters.
Es war ihr noch nicht gelungen, den Vermieter zu erreichen, und schließlich hatte sie diese Aufgabe Alice Marrowicz übertragen. »Wenn wir erst mal wissen, wo Loogan gewesen ist«, sagte sie zu ihr, »und wenn wir jemanden ausfindig machen können, der ihn dort gekannt hat, dann hilft uns das vielleicht auch, ihn davon zu überzeugen, dass er sich uns stellt.« Aber noch während sie das sagte, fand Elizabeth, dass sie sich wenig überzeugend anhörte, Alice jedoch schien eifrig bemüht, ihr zu helfen.
Carter Shan hatte vorgeschlagen, Loogan mit Hilfe seines Handys aufzuspüren. Elizabeth wusste, dass das theoretisch möglich war. Jedes eingeschaltete Handy sendet regelmäßig Signale aus, ob man nun gerade damit telefoniert oder nicht. Diese Signale werden von den Sendemasten aufgenommen und ermöglichen es den Telekommunikationsfirmen, die eingehenden Anrufe entsprechend weiterzuleiten. Aber sie können auch dazu benutzt werden, das Handy grob zu orten. Jedes Signal wird wahrscheinlich von zwei oder mehr Sendemasten empfangen, und wenn das so ist, kann man anhand der relativen Stärke des Signals beim jeweiligen Sendemast die Position des Handys eingrenzen – in manchen Fällen bis auf ein Gebiet von ein paar Häuserblocks. Falls das Telefon mit GPS ausgestattet ist, kann man es sogar noch präziser orten.
So lautete die Theorie. In der Praxis waren die Dinge komplizierter. Sie hatten sich Loogans Telefonrechnungen durchgeben lassen, und es stellte sich heraus, dass er ein billiges Modell mit einer Prepaid-Karte und ohne GPS benutzte. Und er hatte es immer ausgemacht, wenn er es nicht benutzte – er schien die Gefahr zu kennen, in die es ihn brachte.
Solange das Handy ausgeschaltet war, war er unsichtbar. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu warten und darauf zu achten, ob er es wieder benutzte. Shan hatte mit einem Techniker |245| des Anbieters gesprochen, über den Loogans Handy lief, und der Techniker hatte Loogans Nummer im Computersystem des Anbieters markiert. Wenn Loogan sein Handy anstellte, würde der Anbieter der Polizei Bescheid geben und versuchen, seine Position zu orten. Aber das würde Zeit brauchen, und dann würde es noch mehr Zeit brauchen, um einen Streifenwagen loszuschicken, der ihn suchen sollte, und wenn er das Suchgebiet endlich erreicht hatte, war Loogan womöglich schon wieder fort.
»Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird«, hatte Elizabeth Shan am Nachmittag erzählt. »Er wird nicht lange genug irgendwo bleiben, dass wir ihn finden können.«
Shan hatte bloß mit den Schultern gezuckt. »Vielleicht nicht. Wir tun, was wir können. Er könnte auch beschließen, das Handy einfach wegzuschmeißen. Vielleicht macht er auch keine Anrufe mehr.«
Aber auch wenn Elizabeth ihre Zweifel daran hatte, dass man Loogan anhand seines Handys auf die Spur kommen könnte, sie glaubte dennoch nicht, dass er keine Anrufe mehr machen würde. Sie rechnete damit, dass er sich wieder meldete. Er würde mit ihr reden wollen. Sie wählte seine Nummer und hinterließ eine Nachricht auf seiner Mailbox, in der sie ihn ermunterte, wieder anzurufen.
Jetzt am Abend war sie zu Hause und las Berichte, las in den Akten über Kristoll, Tully und Beccanti. Durch ein halb geöffnetes Fenster wehte eine kühle Novemberbrise herein. Traurig tönte Chopins Klaviermusik vom C D-Spieler herüber.
Um acht Uhr herum klingelte ihr Handy, und noch bevor sie seine Nummer auf dem Display sehen konnte, wusste sie, dass es Loogan war.
»Wo sind Sie?«, sagte sie.
»Sie
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