Böse Freundin (German Edition)
sich ein bisschen ausgeruht hat.»
«Ich bin nicht müde», sagte Celia.
«Na, dann gehen wir doch essen», entschied Noreen. «Wie wär’s mit Maximo’s ? Maxi freut sich jedes Mal wie ein Schneekönig, wenn er Celie zu Gesicht bekommt, und sie haben da immer noch diese tolle Vorspeise mit Kalmar und Tintenfisch.»
«Nor, warum schleppst du unsere Tochter eigentlich ständig irgendwohin, wo man sie mit siebzehn als Kellnerin gefeuert hat?»
«Man hat sie nicht gefeuert! Maxi ist nur zu dem Schluss gekommen, dass sie sich besser fürs Büro eignet.»
«Ich komme gern mit zu Maximo’s , Mom.»
Celia stieg aus und hoffte, ihr Vater würde den Kofferraum automatisch aufschnappen lassen, damit sie ihm zuvorkommen konnte, doch er stieg ebenfalls aus und nahm den Schlüssel. Sie tat, als hörte sie das Ächzen nicht, mit dem er den Koffer heraushob.
«Warren, das solltest du aber nun wirklich Celie überlassen», sagte ihre Mutter und schnalzte missbilligend. «Denk an deinen Rücken.»
Warren schüttelte den Kopf. «Wenn Cee Cee die Mühe auf sich nimmt, die ganze lange Strecke bis hierher zu kommen, ist es ja wohl das Mindeste, dass ich ihr mit dem Gepäck helfe.» Er wuchtete den Koffer auf den Gehweg und rollte ihn zur Haustür.
Celia ging hinter ihrer Mutter die Zufahrt hoch und blickte zurück zur Straße. Im Haus gegenüber war früher immer viel zu holen gewesen, wenn die Pfadfinderinnen wieder eine Plätzchenbackaktion durchgeführt oder um Spenden für einen Lesemarathon zugunsten der Multiple-Sklerose-Hilfe gebeten hatten. Allerdings musste man es dafür mit Mrs. Finch aufnehmen, die kinderlos war und ein verkürztes Bein hatte. In einem Jahr hatte Celia mit der Tradition gebrochen, weil sie bei den Pfadfinderinnen unbedingt ein Verdienstabzeichen bekommen wollte, und war Mrs. Finchs Einladung hereinzukommen gefolgt. Ihre Gastgeberin ließ sie auf einer müffelnden Couch neben einem Glas Brause Platz nehmen, stellte ihr die Puppengroßfamilie vor, die das Wohnzimmer weitgehend mit Beschlag belegte, und forderte sie auf, den Namen jeder einzelnen Puppe nachzusprechen. Ihr Wagemut trug Celia eine Bestellung für fünf Schachteln Tagalongs sowie für je fünf Samoas und Thin Mints ein, zu deren Lieferung sie sich allerdings außerstande fühlte; nach gutem Zureden stellte ihr Bruder sie Mrs. Finch schließlich vor die Tür. Mittlerweile hing in ihrem Wohnzimmerfenster eine blinkende Bierreklame. Ein ausgeweideter Sessel kaschierte notdürftig eine kahle Stelle im Rasen.
Warren und Noreen waren schon im Haus; vor der Tür erinnerte Celia sich, wie Djuna hier einmal neben ihr gestanden und ihr zugeflüstert hatte: «Sag mir, wo ihr euren Schlüssel versteckt, dann kann ich jederzeit herkommen.» Celia sah zu dem künstlichen Stein, der immer noch neben der Türmatte lag, allein auf weiter Flur und nicht einmal von einer Zierhecke getarnt. Sie hob ihn auf, drehte ihn um und schob die Abdeckung des Schlüsselfachs beiseite.
«Willkommen daheim, Schätzchen», sagte Noreen und hielt ihr, den Arm einladend ausgestreckt, die Tür auf. Warren stand neben der Treppe Wache. Einen Moment lang kam es Celia vor, als wartete die ganze Stadt mit angehaltenem Atem darauf, dass sie hineinging.
Abgesehen von Warrens Heimwerkeraktivitäten hatte sich das Haus seit Celias Kindheit kaum verändert. Beim Anblick des kleinen Emaillebilds im Flur, das ein grünes Feld zeigte und sie immer an Rahmspinat denken ließ, spürte Celia förmlich, wie sie wieder in die Gemütsverfassung einer Sechzehnjährigen zurückfiel. Die völlig veralteten Familienfotos, die auf dem Weg in die Küche an der Wand hingen, machten die Sache auch nicht besser. Das neueste Bild war neun Jahre alt und zeigte Jeremy bei der Abschlussfeier am Community College: hager, glattrasiert, mit einem gleichermaßen stolzen und erleichterten Lächeln. Das zweitjüngste war ein vergrößerter Schnappschuss von Celia bei der Verleihung ihrer Bachelor-Urkunde. Auf dem aktuellsten Familienporträt hatte Jeremy schon lange Haare, aber noch keine Piercings in den Ohren, und Celia trug ein Cornell-T-Shirt. Das war in Celias letztem Jahr an der Highschool gewesen, ein paar Monate vor ihrem Entschluss, die Flucht Richtung Westen zu ergreifen, und diverse Semester bevor ihr Bruder anfing, in seinem Zimmer berauschende Substanzen zu schnupfen.
Seit Jahren war von einem Foto die Rede, auf dem auch Jeremys kleine Familie und Huck zu sehen sein sollten, doch das bis
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