Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Blüm fallenlassen und verbannen würde, so daß sie sich schließlich wunderte und genötigt war, Blüm zu genehmigen. Es wurde lediglich beschlossen, die Verwandtschaft noch sorgfältiger als bisher geheimzuhalten, wenn dies überhaupt möglich wäre, und sogar Blüms Vor- und Vatersnamen zu ändern, denn aus einem unerklärlichen Grunde hieß er ebenfalls Andrej Antonowitsch. Blüm hatte bei uns keine Bekanntschaften, außer mit dem deutschen Apotheker, geschlossen, keinen einzigen Antrittsbesuch gemacht und lebte nach seiner Gewohnheit karg und zurückgezogen. Er war schon seit langem in Andrej Antonowitschs literarische Sünden eingeweiht und genoß den Vorzug, zu geheimen Lesungen einbestellt zu werden, gelegentlich sechs Stunden hintereinander wie eine Bildsäule dazusitzen, zu schwitzen, mit letzter Kraft gegen den Schlaf anzukämpfen und zu lächeln; nach Hause zurückgekehrt, klagte er zusammen mit seiner langbeinigen mageren Frau über die unglückselige Schwäche ihres Wohltäters für die russische Literatur.
Andrej Antonowitsch sah dem eintretenden Blüm mit leidender Miene entgegen.
»Ich bitte dich, Blüm, laß mich in Ruhe«, begann er erregt, offensichtlich bemüht, einer Fortsetzung ihres Gesprächs, das Pjotr Stepanowitschs Besuch unterbrochen hatte, auszuweichen.
»Aber das läßt sich doch ganz behutsam durchführen, ohne das geringste Aufsehen zu erregen; und Sie verfügen über alle Vollmachten«, beharrte Blüm ehrerbietig, aber hartnäckig, wobei er sich mit gebeugtem Rücken Andrej Antonowitsch unmerklich näherte.
»Blüm, du bist mir so ergeben und so diensteifrig, daß ich jedesmal außer mir vor Angst bin, wenn ich dich nur sehe.«
»Sie sagen immer scharfsinnige Sachen, und vor Vergnügen über das Gesagte schlummern Sie ruhig ein, aber Sie schaden sich dadurch.«
»Blüm, ich habe mich soeben davon überzeugt, daß es um etwas ganz anderes geht, etwas ganz anderes.«
»Etwa nach den Worten dieses falschen, lasterhaften jungen Menschen, den Sie selbst verdächtigen? Er hat Sie besiegt, weil er Ihr literarisches Talent gelobt und Ihnen geschmeichelt hat.«
»Blüm, du hast keine Ahnung; dein Projekt ist ein Unding, sag’ ich dir. Wir werden nichts finden, aber es wird ein furchtbares Gerede geben, dann ein Gelächter, und dann wird Julija Michajlowna …«
»Wir werden ohne Zweifel alles finden, was wir suchen«, Blüm machte einen entschlossenen Schritt auf ihn zu und legte die rechte Hand aufs Herz, »wir führen die Durchsuchung plötzlich durch, früh am Morgen, indem wir sowohl höchste Rücksicht gegenüber der Person als auch die vom Gesetz vorgeschriebene Strenge walten lassen. Die jungen Leute, Ljamschin und Teljatnikow, sind sich völlig sicher, daß wir dort alles Gewünschte finden werden. Sie waren dort mehrfach zu Besuch. Herr Werchowenskij erfreut sich keiner wirklichen Sympathie. Die Generalin Stawrogina hat offenbar ihre Wohltaten eingestellt, und jeder anständige Mensch, wenn es einen solchen in dieser groben Stadt gibt, ist überzeugt, daß sich dort schon immer die Quelle des Atheismus und der sozialen Wissenschaft verbarg. Er bewahrt alle verbotenen Bücher, Rylejews ›Lieder‹ und sämtliche Werke von Herzen … Ich habe für alle Fälle einen vorläufigen Katalog in Händen …«
»O Gott, diese Bücher hat jeder; du bist einfältig, mein armer Blüm!«
»… und zahlreiche Proklamationen«, fuhr Blüm unbeirrt fort, ohne auf die Einwürfe zu achten. »Zum Schluß werden wir unbedingt auf die richtige Spur der hiesigen Proklamationen kommen. Dieser junge Werchowenskij ist mir höchst verdächtig.«
»Aber du verwechselst den Vater mit dem Sohn. Sie sind uneins; der Sohn macht sich offen über seinen Vater lustig.«
»Das ist nur Maske.«
»Blüm, du hast dir wohl geschworen, mich zu Tode zu quälen! Überleg doch! Er ist hier doch immerhin eine bekannte Persönlichkeit. Er war Professor, er ist ein angesehener Mann, er wird es an die große Glocke hängen, die ganze Stadt wird über uns spotten – und darüber sollen wir uns hinwegsetzen … Überleg doch, was ist dann mit Julija Michajlowna!«
Blüm setzte den Angriff fort und hörte nicht zu.
»Er war nur Dozent, nichts weiter als Dozent, und dem Range nach nur Kollegienassessor a. D.«, sagte er und schlug mit der Hand gegen die Brust, »keine Auszeichnungen, entlassen wegen Verdachts regierungsfeindlicher Absichten. Stand unter geheimer Überwachung und wird heute zweifellos immer
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