Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
noch überwacht. In Anbetracht der jetzt zutage tretenden Unregelmäßigkeiten sind Sie unbedingt verpflichtet, das Nötige zu tun. Sie lassen sich im Gegenteil eine Auszeichnung entgehen, wenn Sie gegen den wahren Schuldigen Nachsicht üben.«
»Julija Michajlowna! R-raus, Blüm!« rief von Lembke plötzlich, als er die Stimme seiner Gattin im Nebenzimmer hörte.
Blüm schauerte, gab aber nicht auf.
»Genehmigen Sie es, genehmigen Sie es«, er rückte immer näher auf Andrej Antonowitsch zu und preßte beide Hände noch fester an die Brust.
»R-raus!« Andrej Antonowitsch knirschte mit den Zähnen. »Tu, was du willst … später … O mein Gott!«
Die Portiere hob sich, und Julija Michajlowna erschien. Sie blieb majestätisch stehen, als sie Blüm gewahrte, und maß ihn mit einem hochmütigen und beleidigenden Blick, als wäre die bloße Anwesenheit dieses Mannes eine Kränkung für sie. Schweigend und ehrerbietig machte Blüm eine tiefe Verbeugung und ging, vor Ehrerbietung gekrümmt, auf Zehenspitzen, mit leicht abgespreizten Armen zur Tür.
Lag es daran, daß er in der Tat Andrej Antonowitschs letzten hysterischen Ausruf für einen Befehl gehalten hatte, nach eigenem Gutdünken zu handeln, oder hatte er sich in diesem Fall, viel zu unerschütterlich vom alles krönenden Erfolg seines Plans überzeugt, zu Nutz und Frommen seines Wohltäters taub gestellt – diese Unterredung zwischen dem Vorgesetzten und seinem Untergebenen sollte, wie wir im folgenden sehen werden, zu der größten Überraschung führen, die viele zum Lachen brachte, eine traurige Berühmtheit erlangte, Julija Michajlownas schlimmsten Zorn erregte, alles in allem Andrej Antonowitsch endgültig aus der Fassung brachte und ihn ausgerechnet im brenzligsten Augenblick in eine beklagenswerte Unentschlossenheit stürzte.
V
AN diesem Tag war Pjotr Stepanowitsch ganz besonders geschäftig. Nachdem er von Lembke verlassen hatte, eilte er in die Bogojawlenskaja-Straße, aber als er in der Bykow-Straße an dem Haus, in dem Karmasinow abgestiegen war, vorbeiging, hielt er plötzlich an, grinste und ging hinein. Man beschied ihn: »Der Herr werden erwartet«, was er sehr interessant fand, weil er sich keineswegs angemeldet hatte.
Der große Schriftsteller hatte ihn jedoch wirklich erwartet, sogar schon gestern und vorgestern. Vor vier Tagen hatte er ihm sein Manuskript »Merci« (das er in der literarischen Matinee an Julija Michajlownas Fest vorzulesen beabsichtigte) anvertraut, und zwar aus Liebenswürdigkeit, in der festen Überzeugung, daß es der Eitelkeit eines Menschen schmeicheln muß, wenn er ein großes Werk schon im voraus kennenlernen darf. Pjotr Stepanowitsch war es schon seit langem aufgefallen, daß dieser eitle, verwöhnte und für die Nichtauserwählten beleidigend unzugängliche Mann, dieser »fast staatsmännische Kopf«, sich ganz einfach um ihn bemühte, sogar mit einer gewissen Gier. Ich glaube, daß der junge Mann schließlich erriet, daß Karmasinow ihn wenn nicht für den Rädelsführer von allem Geheimen und Revolutionären in Rußland, so doch wenigstens für einen in die Geheimnisse der russischen Revolution Eingeweihten hielt, der einen unbestreitbaren Einfluß auf die Jugend ausübte. Die Stimmung und die Gedankengänge dieses »klügsten Mannes im ganzen Rußland« interessierten Pjotr Stepanowitsch, aber er war bisher aus verschiedenen Gründen einer Aussprache aus dem Wege gegangen.
Der große Schriftsteller logierte in dem Haus seiner Schwester, der Gattin eines Kammerherrn und Gutsbesitzerin. Beide, Mann und Frau, vergötterten ihren berühmten Verwandten, aber diesmal befanden sie sich beide zu ihrem größten Leidwesen in Moskau, so daß die Ehre, ihn zu empfangen, einer alten Dame zugekommen war, einer verarmten weitläufigen Verwandten des Kammerherrn, die bei ihnen lebte und schon lange den gesamten Haushalt führte. Das ganze Haus ging seit der Ankunft des Herrn Karmasinow nur auf Zehenspitzen. Die alte Dame berichtete nach Moskau fast täglich, wie er geruht und was er gespeist hätte, und schickte eines Tages ein Telegramm des Inhalts, er wäre nach einem Festessen beim Stadtoberhaupt gezwungen gewesen, einen Löffel einer bewährten Medizin einzunehmen. Sie nahm sich nur selten heraus, sein Zimmer zu betreten, obwohl er sie sehr höflich behandelte, allerdings ein wenig trocken und wortkarg, und mit ihr nur sprach, so weit es nötig war. Als Pjotr Stepanowitsch bei ihm eintrat, verzehrte er, wie jeden
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