Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ihm zugehört, wie er geredet hat, und bin dabei ins Schwitzen gekommen, dann habe ich mich hierher beeilt, so sehr beeilt, daß ich schon wieder schwitze, und jetzt sterbe ich vor Durst.«
»Trinken Sie. Kalter Tee ist gut.«
Kirillow setzte sich wieder auf seinen Stuhl und richtete wieder den Blick in die Ecke.
»In der Gesellschaft entstand der Gedanke«, fuhr er in demselben Ton fort, »daß ich nützlich sein kann, wenn ich mich töte, und daß, wenn ihr hier irgend etwas anstellt und man nach dem Schuldigen sucht, ich mich plötzlich entschließe und einen Brief hinterlasse, daß ich das alles tat, so daß auf euch ein ganzes Jahr lang kein Verdacht fällt.«
»Und wenn es nur ein paar Tage wären; schon ein einziger Tag wäre kostbar.«
»Gut. In diesem Sinne wurde mir gesagt, daß ich, wenn ich es will, warten soll. Ich habe gesagt, daß ich warten werde, bis mir die Gesellschaft den Zeitpunkt nennt, weil es mir egal ist.«
»Ja, aber Sie erinnern sich, daß Sie sich verpflichtet haben, Ihren letzten Brief unbedingt mit mir zusammen aufzusetzen, und daß Sie, nach Ihrer Rückkehr nach Rußland, zu meiner … kurz gesagt: zu meiner Verfügung stehen sollten, das heißt im Hinblick einzig auf dieses Ereignis, versteht sich, während Sie in allen anderen Fällen natürlich frei sind«, fügte Pjotr Stepanowitsch nahezu liebenswürdig hinzu.
»Ich habe mich nicht verpflichtet, sondern zugestimmt, weil es mir egal ist.«
»Ausgezeichnet! Ausgezeichnet! Ich habe keineswegs die Absicht, Ihrem Ehrgeiz nahezutreten, aber …«
»Es geht nicht um Ehrgeiz.«
»Aber erinnern Sie sich, daß man für Sie hundertzwanzig Taler für die Reise aufgebracht hat, folglich haben Sie Geld genommen.«
»Überhaupt nicht«, brauste Kirillow auf, »das Geld war nicht dafür. Dafür nimmt man kein Geld.«
»Gelegentlich doch.«
»Sie lügen. Ich habe in dem Brief aus Petersburg alles erklärt und habe in Petersburg Ihnen die hundertzwanzig Taler in die Hand gegeben … und das Geld wurde zurückgeschickt, falls Sie es nicht für sich behalten haben.«
»Gut, gut, ich möchte nicht darüber streiten, das Geld wurde zurückgeschickt. Hauptsache, Sie haben noch dieselbe Einstellung wie früher.«
»Genau dieselbe. Wenn Sie kommen und sagen: ›Es ist soweit‹, werde ich es tun. Wieso, ist es sehr bald?«
»In wenigen Tagen … Aber vergessen Sie nicht, daß wir den Brief zusammen aufsetzen werden, in derselben Nacht.«
»Meinetwegen auch am Tag. Sie sagten, ich muß die Proklamationen auf mich nehmen?«
»Und noch einiges mehr.«
»Ich will nicht alles auf mich nehmen.«
»Was denn nicht?« Pjotr Stepanowitsch schreckte abermals auf.
»Was ich nicht will; Schluß. Ich will nicht länger darüber sprechen.«
Pjotr Stepanowitsch beherrschte sich und wechselte das Thema.
»Noch etwas anderes«, lenkte er ein, »kommen Sie heute abend zu den Unsrigen? Wirginskij hat Namenstag, ein Vorwand, sich zu versammeln.«
»Ich will nicht.«
»Tun Sie mir den Gefallen und kommen Sie. Es muß sein. Man muß Eindruck machen durch Zahl und Person … Sie sind eben eine Person … Nun, mit einem Wort, Ihr Gesicht ist vom Fatum gezeichnet.«
»Finden Sie?« Kirillow lachte. »Gut, ich komme; aber nicht wegen des Gesichts. Wieviel Uhr?«
»Oh, nicht zu spät, halb sieben. Und, wissen Sie, Sie können hereinkommen, Platz nehmen und brauchen mit keinem zu reden, wie viele von denen auch dasein mögen. Aber, wissen Sie, vergessen Sie nicht, Papier und Bleistift einzustecken.«
»Warum das?«
»Ihnen ist es doch egal; und ich bitte ausdrücklich darum. Sie brauchen nur dazusitzen, mit keinem zu reden, zuzuhören und hin und wieder scheinbar Notizen zu machen; Sie können ja auch meinetwegen zeichnen.«
»Unsinn, warum?«
»Wenn es Ihnen doch egal ist; Sie sagen doch immer wieder, daß Ihnen alles egal ist.«
»Aber warum?«
»Einfach darum, weil dieses Mitglied unserer Gesellschaft, der Revisor, in Moskau hängengeblieben ist, ich aber den Unsrigen gesagt habe, daß wir vielleicht Besuch von dem Revisor bekommen; und nun werden sie denken, daß Sie der Revisor sind, und da Sie schon seit drei Wochen hier wohnen, werden sie sich noch mehr wundern.«
»Hokuspokus. Es gibt ja gar keinen Revisor in Moskau.«
»Vielleicht auch nicht, hol’s der Teufel, was geht Sie das an, und wo sehen Sie da Schwierigkeiten? Sie sind doch selbst Mitglied der Gesellschaft.«
»Sagen Sie ihnen, daß ich der Revisor bin; ich werde sitzen und
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