Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
denken. Er setzte sich dicht neben die Tür des Kabinetts, um zu warten, bis der Besucher herauskommen würde. Man hörte Stimmen, aber einzelne Worte waren nicht zu unterscheiden. Der Besuch dauerte nicht lange; bald hörte man ein Krachen, eine sehr laute und heftige Stimme, unmittelbar darauf wurde die Tür aufgerissen, und Mawrikij Nikolajewitsch kam heraus, schneeweiß im Gesicht. Er ging rasch an Pjotr Stepanowitsch, den er nicht einmal bemerkte, vorüber. Sogleich eilte Pjotr Stepanowitsch ins Kabinett.
Ich sehe mich außerstande, auf einen ausführlichen Bericht über diese so außerordentlich kurze Begegnung der beiden »Nebenbuhler« zu verzichten – eine Begegnung, die angesichts der eingetretenen Umstände ausgeschlossen schien, die aber dennoch stattgefunden hat.
Folgendes war geschehen: Nikolaj Wsewolodowitsch war nach dem Essen in seinem Kabinett auf der Couchette eingedämmert, als Alexej Jegorowitsch ihm den unerwarteten Besucher meldete. Als er den Namen hörte, fuhr er sogar auf und wollte seinen Ohren nicht trauen. Aber sehr bald blitzte ein Lächeln über seine Lippen – ein hochmütiges, triumphierendes Lächeln, das gleichzeitig stumpf, mißtrauisch und ungläubig war. Der eintretende Mawrikij Nikolajewitsch stutzte wohl über dieses Lächeln, jedenfalls blieb er plötzlich mitten im Zimmer stehen, wie unschlüssig: weitergehen oder umkehren? Dem Hausherrn gelang es, seinen Gesichtsausdruck augenblicklich zu verändern, und er ging ihm mit ernster und erstaunter Miene entgegen. Dieser übersah die ihm entgegengestreckte Hand, zog ungelenk einen Stuhl heran und setzte sich wortlos, noch bevor der Hausherr Platz genommen hatte, unaufgefordert hin. Nikolaj Wsewolodowitsch ließ sich ihm schräg gegenüber auf der Couchette nieder, schwieg und wartete, ohne Mawrikij Nikolajewitsch aus den Augen zu lassen.
»Wenn es Ihnen möglich ist, so heiraten Sie Lisaweta Nikolajewna«, platzte Mawrikij Nikolajewitsch plötzlich heraus, und an seiner Intonation – das war das Interessanteste – ließ sich nicht erkennen, was es war: eine Bitte, eine Empfehlung, ein Verzicht oder ein Befehl.
Nikolaj Wsewolodowitsch schwieg weiter; aber sein Besucher hatte offensichtlich alles ausgesprochen, was ihn hergeführt hatte, und sah ihn in Erwartung einer Antwort unverwandt an.
»Wenn ich mich nicht täusche, ist Lisaweta Nikolajewna (das ist doch so gut wie sicher) bereits mit Ihnen verlobt?« sprach endlich Stawrogin.
»Versprochen und verlobt«, bestätigte Mawrikij Nikolajewitsch fest und klar.
»Sie haben sich … überworfen? … Verzeihen Sie meine Frage, Mawrikij Nikolajewitsch.«
»Nein, sie ›liebt und achtet‹ mich, das sind ihre eigenen Worte, und ihre Worte sind kostbarer als alles andere.«
»Daran ist kein Zweifel.«
»Aber Sie müssen wissen, daß, wenn sie vor dem Traualtar steht und Sie sie rufen, sie mich und alle anderen verlassen und Ihnen folgen wird.«
»Vor der Trauung?«
»Und nach der Trauung.«
»Täuschen Sie sich nicht?«
»Nein. Unter dem unaufhörlichen Haß auf Sie, der aufrichtig und maßlos ist, funkelt jeden Augenblick Liebe und … Wahnsinn … aufrichtigste, maßlose Liebe und – Wahnsinn! Und umgekehrt, unter der Liebe, die sie für mich empfindet, eine ebenfalls aufrichtige Liebe, funkelt jeden Augenblick Haß – unendlicher Haß! Das hätte ich mir früher nicht vorstellen können, all diese … Metamorphosen.«
»Aber ich bin doch erstaunt, daß Sie kommen und über Lisaweta Nikolajewnas Hand verfügen! Haben Sie ein Recht dazu? Oder kommen Sie in ihrem Auftrag?«
Mawrikij Nikolajewitsch runzelte die Brauen und senkte für einen Augenblick den Kopf.
»Das sind doch nichts als Worte Ihrerseits«, sagte er plötzlich, »rachsüchtige und triumphierende Worte: Ich bin sicher, daß Sie zwischen den Zeilen lesen können, ist denn jetzt Gelegenheit für kleinliche Eitelkeit? Sind Sie noch nicht zufrieden? Muß denn alles breitgetreten und der Punkt auf jedes i gesetzt werden? Bitte, ich werde die i-Tüpfchen setzen, falls Ihnen so viel an meiner Demütigung gelegen ist: ein Recht habe ich keines, ein Auftrag ist ausgeschlossen; Lisaweta Nikolajewna ahnt nichts, und ihr Bräutigam hat den letzten Verstand verloren und gehört ins Irrenhaus, was er Ihnen zu allem Überfluß in eigener Person meldet. Sie sind der einzige auf der ganzen Welt, der sie glücklich machen kann, und ich bin der einzige – unglücklich. Sie werben um sie, Sie verfolgen sie,
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