Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
es steht in Ihrer Macht, sie glücklich zu machen, aber Sie heiraten sie nicht, und ich weiß nicht, warum. Wenn es ein Zerwürfnis zwischen zwei Liebenden ist, das damals im Ausland begonnen hat, und wenn ich, um es zu heilen, geopfert werden soll – so opfern Sie mich. Sie ist zu unglücklich, und ich kann es nicht ertragen. Meine Worte bedeuten weder ein Gestatten noch ein Auffordern, deshalb brauchen Sie sich in Ihrer Eitelkeit nicht gekränkt zu fühlen. Wenn Sie meinen Platz vor dem Traualtar einnehmen wollten, würden Sie es ohne eine Erlaubnis meinerseits tun, und ich müßte Sie nicht mit diesem Wahnsinn behelligen. Um so weniger, als unsere Vermählung nach meinem heutigen Schritt absolut unmöglich geworden ist. Wie soll ich sie als Mann ohne Ehre zum Altar führen? Das, was ich hier tue, indem ich sie Ihnen ausliefere, ihrem vielleicht erbittertsten Feind, ist in meinen Augen eine solche Niedertracht, daß ich sie selbstverständlich niemals überleben werde.«
»Sie erschießen sich, während unserer Trauung?«
»Nein, viel später. Warum sollte ich ihr Brautkleid mit meinem Blut besudeln? Vielleicht werde ich mich überhaupt nicht erschießen, weder jetzt noch später.«
»Sie sagen das, um mich wahrscheinlich zu beruhigen?«
»Sie? Was kann ein Blutspritzer mehr oder weniger für Sie schon bedeuten?«
Er war blaß geworden, und seine Augen funkelten. Es folgte ein minutenlanges Schweigen.
»Ich bitte die gestellten Fragen zu entschuldigen«, begann Stawrogin von neuem. »Manche hätte ich gar nicht stellen dürfen, aber auf eine Frage glaube ich ein Recht zu haben: Sagen Sie mir, welche Tatsachen haben Sie veranlaßt, auf meine Gefühle für Lisaweta Nikolajewna zu schließen? Ich meine auf jene Stärke dieser Gefühle, die Ihnen erlaubt, mich aufzusuchen und einen solchen Vorschlag zu … riskieren?«
»Wie bitte?« Mawrikij Nikolajewitsch zuckte sogar zusammen. »Haben Sie etwa nicht um sie geworben? Werben Sie auch jetzt nicht um sie, und wollen Sie nicht um sie werben?«
»Über meine Gefühle für diese oder jene Frau kann ich mich unmöglich einem dritten gegenüber äußern, ja gegenüber keinem Menschen außer einzig dieser Frau. Sie werden mich entschuldigen müssen, das ist eben eine Eigentümlichkeit meines Organismus. Aber statt dessen werde ich Ihnen die restliche Wahrheit sagen: Ich bin verheiratet, und es ist mir nicht mehr möglich, zu heiraten oder zu ›werben‹.«
Mawriki Nikolajewitsch war so bestürzt, daß er sich gegen die Sessellehne fallen ließ und eine Zeitlang Stawrogin reglos ins Gesicht starrte.
»Stellen Sie sich vor, daran habe ich überhaupt nicht gedacht«, murmelte er, »Sie sagten damals, an jenem Vormittag, Sie wären nicht verheiratet … und ich habe geglaubt, Sie seien nicht verheiratet …«
Er wurde totenblaß; plötzlich hieb er aus aller Kraft mit der Faust auf den Tisch.
»Wenn Sie nach diesem Bekenntnis Lisaweta Nikolajewna nicht in Ruhe lassen, dann schlage ich Sie mit einem Stock tot, wie einen streunenden Hund!«
Er sprang auf und verließ mit raschen Schritten das Zimmer. Der hereineilende Pjotr Stepanowitsch fand den Hausherrn in einer höchst überraschenden Stimmung vor.
»Aha, Sie sind es!« brachte Stawrogin laut lachend hervor; es sah so aus, als lache er nur über die Erscheinung Pjotr Stepanowitschs, der mit einer solch ungestümen Neugier hereingeeilt kam.
»Haben Sie an der Tür gehorcht? Halt, was führt Sie eigentlich hierher? Ich habe Ihnen doch irgend etwas versprochen … Ach, so! Ich erinnere mich: zu den ›Unsrigen‹! Gehen wir, freut mich sehr, Ihnen hätte kaum etwas einfallen können, das mir heute besser paßte.«
Er griff nach seinem Hut, und sie verließen beide unverzüglich das Haus.
»Sie lachen im voraus, weil Sie die ›Unsrigen‹ sehen werden!« redete gutgelaunt Pjotr Stepanowitsch, der bald neben seinem Gefährten auf dem schmalen ziegelgepflasterten Gehweg Schritt zu halten versuchte, bald auf die Fahrbahn heruntertreten mußte, sogar mitten in den Schlamm, weil seinem Gefährten gar nicht auffiel, daß er genau die Mitte des Trottoirs einhielt, folglich dessen ganze Breite in Anspruch nahm.
»Ich lache keineswegs«, antwortete Stawrogin laut und gutgelaunt, »und ich bin ganz im Gegenteil davon überzeugt, bei Ihnen dort die ernsthaftesten Menschen anzutreffen.«
»›Humorlose Schwachköpfe‹, wie Sie sich einst auszudrücken beliebten.«
»Mancher humorlose Schwachkopf ist das
Weitere Kostenlose Bücher