Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
privater Neugier gefragt haben.«
»Aber was meinen Sie damit, was meinen Sie?« rief Werchowenskij, als würde er allmählich sehr unruhig.
»Ich meine, daß eine Affiliation, welcher Art auch immer, allenfalls unter vier Augen stattfinden soll und nicht vor einer unbekannten Gesellschaft aus zwanzig Menschen!« platzte der Hinkende heraus. Er hatte alle Trümpfe ausgespielt, war aber viel zu gereizt. Werchowenskij, mit einer ausgezeichnet gespielten beunruhigten Miene, wandte sich an die Versammelten.
»Meine Herrschaften, ich halte es für meine Pflicht, vor Ihnen allen richtigzustellen, daß das alles Torheiten sind und unser Gespräch zu weit gegangen ist. Ich habe noch nie jemanden affiliert, und niemand hat das Recht zu behaupten, ich hätte hier affiliert, wir haben lediglich unsere Meinungen ausgetauscht. War es nicht so? Aber wie dem auch sei, Sie machen mir großen Kummer«, er wandte sich wieder dem Hinkenden zu, »ich habe mir nie vorstellen können, daß man hier über solche beinahe harmlosen Dinge unter vier Augen reden müßte. Fürchten Sie eine Anzeige? Wäre es denn möglich, daß sich jetzt unter uns ein Denunziant befindet?«
Die Erregung wurde maßlos; plötzlich redeten alle auf einmal.
»Meine Herrschaften, wenn das der Fall wäre«, fuhr Werchowenskij fort, »so hätte ich mich selbst am meisten kompromittiert. Und deshalb schlage ich vor, eine Frage zu beantworten, selbstverständlich, wenn Sie es wollen. Ganz nach Ihrem Willen.«
»Welche Frage? Welche Frage?« Es entstand ein allgemeiner Lärm.
»Eine Frage, nach der sich klären wird: bleiben wir zusammen, oder sucht jeder wortlos seine Mütze und geht seines Weges.«
»Die Frage, die Frage?«
»Wenn jeder von uns von einem geplanten politischen Mord wüßte, würde er dann, in Anbetracht sämtlicher Folgen, Anzeige erstatten oder zu Hause bleiben, um das weitere abzuwarten? Darüber kann man verschiedener Ansicht sein. Die Antwort auf diese Frage wird uns deutlich sagen – gehen wir auseinander, oder bleiben wir zusammen, und wenn, dann nicht nur für den heutigen Abend. Erlauben Sie mir, Sie als ersten zu fragen«, wandte er sich an den Hinkenden.
»Warum mich als ersten?«
»Weil Sie mit allem angefangen haben. Seien Sie so gut, und weichen Sie nicht aus, Spitzfindigkeit kann dabei nicht helfen. Aber tun Sie übrigens, was Sie möchten; ganz nach Ihrem Willen.«
»Entschuldigen Sie, aber eine solche Frage ist sogar beleidigend.«
»Und wenn schon, aber können Sie es präziser ausdrücken?«
»Ich bin nie Agent der Geheimpolizei gewesen«, sagte der Hinkende und verzog das Gesicht.
»Präziser, wenn ich bitten darf, Sie halten uns auf.«
Der Hinkende war so aufgebracht, daß er gar nicht mehr antwortete. Er schwieg und starrte seinen Peiniger feindselig über den Brillenrand hinweg an.
»Ja oder nein? Würden Sie denunzieren, oder würden Sie nicht denunzieren?« brüllte ihn Werchowenskij an.
»Selbstverständlich würde ich nicht denunzieren!« schrie der Hinkende doppelt so laut.
»Keiner würde denunzieren, selbstverständlich keiner«, ließen sich mehrere Stimmen vernehmen.
»Erlauben Sie, Herr Major, dieselbe Frage auch an Sie zu richten: Würden Sie denunzieren, oder würden Sie nicht denunzieren?« fuhr Werchowenskij fort. »Ich bitte zu beachten, daß ich mich mit Absicht an Sie wende.«
»Ich würde nicht denunzieren.«
»Gut, aber wenn Sie wüßten, daß jemand einen anderen ermorden und ausrauben will, einen ganz gewöhnlichen Sterblichen, würden Sie es doch anzeigen, um dem vorzubeugen?«
»Versteht sich, das wäre ein ziviler Fall, aber das andere ist ein politischer. Agent der Geheimpolizei bin ich nie gewesen.«
»Das ist keiner von uns gewesen!« hörte man wieder verschiedene Stimmen. »Eine müßige Frage. Alle geben dieselbe Antwort. Hier sind keine Verräter!«
»Warum steht dieser Herr auf?« rief die Studentin.
»Das ist Schatow. Warum sind Sie aufgestanden, Schatow?« rief die Hausfrau.
Schatow war tatsächlich aufgestanden; er hielt seine Mütze in der Hand und sah Werchowenskij an. Anscheinend wollte er ihm etwas sagen, zögerte aber noch. Er sah blaß und wütend aus, aber er beherrschte sich, sagte kein Wort und verließ schweigend das Zimmer.
»Schatow, das ist doch ungünstig für Sie!«
Diese rätselhaften Worte waren es, die Werchowenskij ihm nachrief.
»Dafür aber günstig für dich, du Spion und Schurke!« rief Schatow zurück, schon in der Tür, und ging
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