Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
hinaus.
Wieder Schreien und Rufen.
»Das war sie, die Probe!« rief eine Stimme.
»Gerade zur rechten Zeit!« rief eine andere.
»War es noch nicht zu spät?« fragte eine dritte.
»Wer hat ihn eingeladen? – Wer hat ihn begrüßt? – Wer ist das? – Wer ist dieser Schatow? – Wird er anzeigen oder nicht?« Die Fragen nahmen kein Ende.
»Wäre er ein Verräter, hätte er sich verstellt, aber er hat uns die kalte Schulter gezeigt und ist gegangen.«
»Jetzt steht Stawrogin auf, Stawrogin hat die Frage auch nicht beantwortet!« rief die Studentin.
Stawrogin war wirklich aufgestanden, und gleichzeitig hatte sich am anderen Tischende auch Kirillow erhoben.
»Erlauben Sie, Herr Stawrogin«, wandte sich die Gastgeberin mit einiger Schärfe an ihn. »Wir alle hier haben die Frage beantwortet, und Sie wollen stillschweigend gehen?«
»Ich sehe keine Notwendigkeit, die Frage, die Sie interessiert, zu beantworten«, murmelte Stawrogin.
»Aber wir haben uns kompromittiert und Sie nicht!« riefen einige Stimmen.
»Was geht mich das an, wenn Sie sich kompromittieren?« Stawrogin lachte, aber seine Augen blitzten.
»Wieso geht ihn das nichts an? Wieso geht ihn das nichts an?« Es wurde laut. Viele sprangen von ihren Stühlen auf.
»Erlauben Sie, meine Herrschaften, erlauben Sie!« schrie der Hinkende. »Auch Herr Werchowenskij hat die Frage nicht beantwortet, sondern er hat sie nur gestellt.«
Diese Bemerkung hatte einen verblüffenden Effekt. Alle sahen sich groß an. Stawrogin lachte dem Hinkenden laut ins Gesicht und ging hinaus, Kirillow folgte ihm. Werchowenskij lief den beiden in das Vorzimmer nach.
»Was machen Sie mit mir?« stammelte er, wobei er Stawrogin bei der Hand faßte und sie mit aller Macht drückte. Stawrogin befreite schweigend seine Hand.
»Gehen Sie jetzt zu Kirillow, ich komme nach … Das ist für mich unbedingt notwendig, unbedingt!«
»Für mich ist es nicht unbedingt notwendig«, antwortete Stawrogin kurz.
»Stawrogin kommt«, sagte Kirillow abschließend. »Stawrogin, es ist für Sie notwendig. Ich werde es Ihnen dort zeigen.«
Sie traten hinaus.
Achtes Kapitel
Iwan Zarewitsch
SIE traten hinaus. Pjotr Stepanowitsch wollte schon zurück in die »Sitzung« stürzen, um das Chaos zu beruhigen, unterließ es aber, wahrscheinlich in der Überzeugung, daß es die Mühe nicht lohne, und flog schon nach zwei Minuten hinter den Fortgegangenen her über die Straße. Unterwegs erinnerte er sich an eine Gasse, die den Weg zum Haus Filippow abkürzte; er beeilte sich, bis an die Knie im Schmutz watend, und kam tatsächlich im selben Augenblick an, als Stawrogin und Kirillow durch das Tor schritten.
»Sie schon hier?« fragte Kirillow. »Das ist gut. Treten Sie ein.«
»Wieso haben Sie gesagt, daß Sie allein wohnen?« fragte Stawrogin, als er im Flur an einem aufgesetzten, bereits dampfenden Samowar vorüberging.
»Sie werden gleich sehen, mit wem ich wohne«, murmelte Kirillow. »Treten Sie ein.«
Kaum waren sie im Zimmer, zog Werchowenskij den anonymen Brief aus der Tasche, den er sich vorhin von Lembke ausgeliehen hatte, und legte ihn vor Stawrogin hin. Alle drei setzten sich. Stawrogin las schweigend den Brief.
»Und?« fragte er.
»Dieser Schuft wird genau das tun, was er schreibt«, erklärte Werchowenskij. »Und da Sie ihn in der Hand haben, müssen Sie sagen, wie man sich verhalten soll. Ich versichere Ihnen, daß er vielleicht morgen schon Lembke aufsuchen wird.«
»Soll er ihn aufsuchen.«
»Wieso soll er das? Zumal man es verhindern kann.«
»Sie irren sich, ich habe ihn nicht in der Hand. Und das geht mich überhaupt nichts an; er ist für mich keine Bedrohung, eine Bedrohung ist er nur für Sie.«
»Und für Sie.«
»Das glaube ich nicht.«
»Aber möglicherweise könnten andere Sie nicht schonen, begreifen Sie das etwa nicht? Hören Sie, Stawrogin, das ist doch nur ein Spiel mit Worten. Tut Ihnen womöglich das Geld leid?«
»Geht es denn um Geld?«
»Keine Frage, rund zweitausend oder, Minimum, anderthalb. Geben Sie es mir morgen oder heute noch, und morgen, gegen Abend, schaffe ich ihn nach Petersburg, er wünscht sich ja nichts Besseres. Auf Wunsch mit Marja Timofejewna – merken Sie sich das.«
Er wirkte irgendwie völlig konfus, sprach irgendwie unvorsichtig, ließ sich Unbedachtes entschlüpfen. Stawrogin beobachtete ihn erstaunt.
»Ich habe keinen Grund, Marja Timofejewna wegzuschicken.«
»Vielleicht wünschen Sie es gar nicht?« frage Pjotr
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