Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Nikolajewitsch! Stepan Trofimowitsch, Sie müssen in einer halben Stunde bei uns sein. O Gott, wie viel werden wir uns zu erzählen haben! Von nun an bin ich Ihr Konfident, und zwar in allem, in allem, verstehen Sie?«
Stepan Trofimowitsch erschrak augenblicklich.
»Ach, Mawrikij Nikolajewitsch weiß alles, seine Gegenwart braucht Sie nicht verlegen zu machen!«
»Was weiß er denn?«
»Aber ich bitte Sie!« rief sie erstaunt aus. »Nein, so was! Dann stimmt es also doch, daß man ein Geheimnis daraus macht! Ich wollte es nicht glauben. Und Dascha hält man auch versteckt. Tante Warwara hat mich vorhin nicht zu ihr gelassen, sie sagte, sie hätte Kopfschmerzen.«
»Aber … aber wie haben Sie es erfahren?«
»Ach, mein Gott, genau so wie alle anderen. Das war nicht schwer!«
»Wirklich alle?«
»Wie denn sonst? Maman hat es natürlich zuerst von Aljona Frolowna gehört, von meiner Kinderfrau. Die hatte es von Ihrer Nastassja, die gelaufen kam, um es ihr zu erzählen. Sie haben es doch Nastassja gesagt? Sie sagt, Sie hätten es ihr selber gesagt.«
»Ich … Ich habe einmal …«, stammelte Stepan Trofimowitsch mit rotem Kopf, »aber … ich habe es nur angedeutet … j’étais si nerveux et malade et puis …«
Sie lachte.
»Der Konfident war nicht zur Hand, und Nastassja lief ihm gerade über den Weg – und schon war es geschehen! Und die hat überall in der ganzen Stadt ihre Freundinnen! Aber genug, das ist doch ganz gleich; sollen sie es ruhig wissen, das ist sogar besser. Beeilen Sie sich, wir essen früh zu Mittag … Ach, ich habe etwas vergessen.« Sie setzte sich wieder. »Hören Sie, was ist Schatow?«
»Schatow? Er ist der Bruder von Darja Pawlowna …«
»Ich weiß, daß er ihr Bruder ist, was denken Sie!« unterbrach sie ihn ungeduldig. »Ich will wissen, was er ist, was für ein Mensch?«
» C’est un pense-creux d’ici. C’est le meilleur et le plus irascible homme du monde …«
»Ich habe schon gehört, daß er irgendwie eigenartig ist. Mir geht es nicht darum. Ich habe gehört, er beherrscht drei Sprachen, auch Englisch, und kann literarische Arbeiten übernehmen. In diesem Fall hätte ich für ihn viel Arbeit; ich brauche jemand, der mir zur Hand geht, je eher, desto besser. Würde er eine Arbeit annehmen oder nicht? Er wurde mir empfohlen …«
»Oh, zweifellos! Et vous fairez un bienfait …«
»Es ist kein bienfait, ich brauche einen Helfer.«
»Ich kenne Schatow recht gut«, sagte ich, »und wenn Sie mich beauftragen, es ihm auszurichten, suche ich ihn gleich auf.«
»Richten Sie ihm aus, er soll morgen mittag um zwölf Uhr zu mir kommen. Wunderbar! Ich danke Ihnen. Mawrikij Nikolajewitsch, sind Sie bereit?«
Sie ritten fort. Ich machte mich sogleich auf den Weg zu Schatow.
»Mon ami!« Stepan Trofimowitsch holte mich in der Haustür ein. »Sie müssen unbedingt hiersein, um zehn oder elf, wenn ich zurückkomme. Ich habe mir viel, sehr viel zuschulden kommen lassen, Ihnen gegenüber und … allen, allen gegenüber.«
VIII
ICH traf Schatow nicht an; als ich zwei Stunden später wiederkam, war er immer noch nicht zu Hause. Schließlich, es war schon nach sieben, machte ich mich erneut auf den Weg, um ihm, sollte ich ihn nicht antreffen, einen Brief zu hinterlassen; ich traf ihn abermals nicht an. Seine Wohnung war abgeschlossen, er wohnte allein und ohne Bedienung. Ich überlegte schon, ob ich nicht unten bei Hauptmann Lebjadkin anklopfen und mich nach Schatow erkundigen sollte; aber dort war ebenfalls abgeschlossen, es war kein Laut zu hören, man sah keinen Lichtschein, alles war wie ausgestorben. Neugierig ging ich an Lebjadkins Tür vorbei, immer noch unter dem Eindruck der kürzlich gehörten Geschichten. Schließlich nahm ich mir vor, am anderen Tag möglichst früh wiederzukommen. Auf einen Brief wollte ich mich, ehrlich gesagt, nicht unbedingt verlassen; Schatow würde möglicherweise nicht darauf reagieren, er war eigensinnig und scheu. Meinen Mißerfolg verwünschend, stieß ich, schon im Tor, mit Herrn Kirillow zusammen, der gerade das Haus betrat und mich als erster erkannte. Da er mich danach fragte, erzählte ich ihm alles in groben Zügen, auch, daß ich einen Brief bei mir hätte.
»Gehen wir«, sagte er, »das mache ich.«
Ich erinnerte mich, daß er, wie Liputin erzählt hatte, am Vormittag in das Holzhaus im Hof umgezogen war. In diesem für ihn viel zu geräumigen Haus wohnte auch eine alte, taube Frau, die ihn bedienen sollte. Der
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