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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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seinem Äußeren überwältigt. Er war sozusagen ein Brillant vor dem schmutzigen Hintergrund ihres Lebens. Ich kann nur schlecht Gefühle beschreiben und werde es deshalb unterlassen; aber das miese Völkchen machte sich sofort über sie lustig, und sie ließ den Kopf hängen. Dort machte man sich überhaupt über sie lustig, aber vorher war ihr das nicht aufgefallen. Sie war schon damals nicht ganz richtig im Kopf, aber damals immerhin weniger als jetzt. Es liegt ein Grund zur Annahme vor, daß sie in ihrer Kindheit, dank irgendeiner Wohltäterin, beinahe eine richtige Erziehung genossen hatte. Nikolaj Wsewolodowitsch hatte sie nie auch nur im geringsten beachtet und spielte meistens mit alten, speckigen Karten um eine Viertelkopeke Préférence mit den Beamten. Aber einmal, als man ihr besonders schlimm zusetzte, packte er (ohne sich um den Anlaß zu kümmern) einen dieser Beamten am Kragen und warf ihn aus dem zweiten Stockwerk zum Fenster hinaus. Von irgendwelchem ritterlichen Zorn zugunsten der beleidigten Unschuld konnte dabei nicht die Rede sein; die Operation wurde unter allgemeinem Gelächter ausgeführt, und am lautesten lachte Nikolaj Wsewolodowitsch selbst; nachdem alles gut ausgegangen war, schloß man Frieden und setzte sich gemeinsam zum Punsch. Aber die gekränkte Unschuld konnte das nicht vergessen. Selbstverständlich endete alles mit der endgültigen Zerrüttung ihrer geistigen Fähigkeiten. Ich wiederhole, ich kann schlecht Gefühle beschreiben, aber hier handelte es sich hauptsächlich um einen Wunschtraum. Nikolaj Wsewolodowitsch jedoch gab diesem Wunschtraum, wie mit Absicht, immer neue Nahrung: Statt in Lachen auszubrechen, behandelte er Mademoiselle Lebjadkina plötzlich mit ungewohnter Achtung. Kirillow, der damals dabei war (ein außerordentliches Original, Warwara Petrowna, und ein außerordentlich wortkarger Mann; vielleicht werden Sie ihm irgendwann begegnen, er hält sich jetzt hier auf), also dieser Kirillow, der sonst immer schwieg, geriet plötzlich in Feuer und hielt, ich erinnere mich, Nikolaj Wsewolodowitsch vor, er behandle Mademoiselle wie eine Marquise und bringe sie dadurch endgültig um den Verstand. Ich füge hinzu, daß Nikolaj Wsewolodowitsch diesem Kirillow eine gewisse Achtung entgegenbrachte. Was mag er wohl darauf geantwortet haben? Er hat geantwortet: ›Sie nehmen an, Herr Kirillow, daß ich sie verhöhne; Sie müssen Ihre Meinung ändern, ich achte sie wirklich, denn sie ist besser als wir alle.‹ Und, wissen Sie, er sagte das in tiefernstem Ton. Indes hat er in diesen zwei, drei Monaten außer ›Guten Tag‹ und ›Leben Sie wohl‹ keine einzige Silbe mit ihr gesprochen. Ich, der ich immer dabei war, erinnere mich ganz genau, daß es mit ihr schließlich soweit kam, daß sie ihn für eine Art Bräutigam hielt, der sie nur deshalb nicht ›entführte‹, weil er viele Feinde und Schwierigkeiten mit der Familie hätte oder sonst irgend etwas dieser Art. Es wurde viel gelacht! Zu guter Letzt traf Nikolaj Wsewolodowitsch, bevor er sich damals auf den Weg hierher machte, Anordnungen bezüglich ihres Unterhalts, und zwar setzte er ihr, soweit ich weiß, eine recht beträchtliche Pension aus, mindestens dreihundert Rubel pro Jahr, wenn nicht mehr. Es mag, um es kurz zu sagen, seinerseits eine Spielerei, der phantastische Einfall eines vor der Zeit ermatteten Menschen, es mag sogar, wie Kirillow meinte, ein neues Experiment eines übersättigten Menschen gewesen sein, mit dem Zweck, herauszubekommen, wie weit man einen verrückten Krüppel bringen kann. ›Sie haben sich‹, sagte er, ›mit Bedacht das allerletzte Wesen ausgesucht, einen Krüppel, die nichts als ewige Schande und Prügel kennt, wobei Sie wußten, daß dieses Wesen vor kurioser Liebe zu Ihnen vergeht, und beginnen nun plötzlich, sie mit Bedacht zu mystifizieren, einzig und allein, um zu sehen, was daraus wird!‹ Was kann schließlich ein Mann für die Schwärmereien einer Verrückten, an die er, wohlgemerkt, während der ganzen Zeit keine zwei Sätze gerichtet hat! Es gibt Dinge, Warwara Petrowna, über die man nichts Kluges sagen kann, sondern die auch nur zu erwähnen höchst unklug ist. Gut, es mag schließlich eine Wunderlichkeit gewesen sein – mehr läßt sich unmöglich darüber sagen; und jetzt hat man daraus eine ganze Geschichte gemacht … Ich bin, Warwara Petrowna, zum Teil darüber unterrichtet, was hier los ist.«
    Der Erzähler brach plötzlich ab und wollte sich schon Lebjadkin

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