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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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rief plötzlich Warwara Petrowna, »das ist eine heilige Pflicht, die ich erfüllen möchte. Vom heutigen Tag an steht sie unter meinem Schutz!«
    »Und das wird in einer gewissen Hinsicht sogar sehr günstig sein«, Pjotr Stepanowitsch hatte sich wieder völlig belebt. »Entschuldigung, ich war vorhin noch nicht ganz fertig. Ich redete gerade von der Gönnerschaft. Können Sie sich vorstellen, daß damals, als Nikolaj Wsewolodowitsch abgereist war (ich knüpfe genau dort an, wo Warwara Petrowna aufgehört hat), dieser Herr, eben dieser Herr Lebjadkin sich sofort einbildete, über die seiner Schwester ausgesetzte Pension uneingeschränkt verfügen zu können; und er verfügte über die Pension. Ich weiß nicht genau, welche Anordnungen Nikolaj Wsewolodowitsch damals getroffen hat, aber ein Jahr darauf, bereits im Ausland, erfuhr er das Vorgefallene und sah sich gezwungen, sie zu ändern. Auch darüber weiß ich nichts Genaues, er wird selbst davon erzählen, aber eines weiß ich gewiß: Die interessante Person wurde irgendwo in einem entlegenen Kloster untergebracht, sogar sehr komfortabel, aber unter freundschaftlicher Aufsicht – Sie verstehen? Und wozu entschließt sich daraufhin Herr Lebjadkin, was glauben Sie wohl? Zunächst scheut er keine Mühe, um herauszufinden, wo das einträgliche Objekt, das heißt sein Fräulein Schwester, vor ihm verborgen gehalten wird, erreicht erst vor kurzem sein Ziel, holt sie aus dem Kloster heraus, wobei er irgendwelche Rechte über sie geltend macht, und zieht mit ihr schnurstracks hierher. Hier läßt er sie hungern, schlägt sie, tyrannisiert sie, erhält schließlich auf irgendeinem Wege von Nikolaj Wsewolodowitsch eine bedeutende Summe, geht damit sofort auf Sauftour und versteigt sich schließlich, statt zu danken, zu einer dreisten Provokation Nikolaj Wsewolodowitschs, zu sinnlosen Forderungen und der Drohung mit dem Gericht, falls die Pension künftig nicht ihm direkt auf die Hand gezahlt würde. Die freiwillige Gabe Nikolaj Wsewolodowitschs faßt er also als eine Pflichtzahlung auf – können Sie sich das vorstellen? Herr Lebjadkin, ist alles wahr, was ich hier soeben gesagt habe?«
    Der Hauptmann, der bis dahin stumm auf den Boden gestarrt hatte, trat hastig zwei Schritte vor und lief purpurrot an.
    »Pjotr Stepanowitsch, Sie haben mich grausam behandelt«, brachte er hervor und stockte.
    »Wieso grausam und warum? Aber erlauben Sie, daß wir uns über Grausamkeit oder Milde später unterhalten, jetzt aber bitte ich lediglich um Antwort auf meine erste Frage: Ist alles wahr, was ich gesagt habe oder nicht? Sollten Sie finden, daß es nicht wahr ist, so können Sie unverzüglich Ihre Erklärung abgeben.«
    »Ich … Sie wissen doch selbst, Pjotr Stepanowitsch …«, murmelte der Hauptmann, stockte abermals und verstummte. Es sei angemerkt, daß Pjotr Stepanowitsch in einem Sessel saß, ein Bein über das andere geschlagen, während der Hauptmann in ehrerbietiger Haltung vor ihm stand.
    Die Unschlüssigkeit des Hauptmanns schien Pjotr Stepanowitsch keineswegs zu gefallen. Über sein Gesicht lief ein unheilverkündendes Zucken.
    »Vielleicht möchten Sie wirklich eine Erklärung abgeben?« fragte er den Hauptmann mit lauerndem Blick. »In diesem Fall – bitte schön, man wartet.«
    »Sie wissen doch selbst, Pjotr Stepanowitsch, daß ich nichts erklären kann.«
    »Nein, das weiß ich nicht, ich höre davon zum ersten Mal; warum können Sie nichts erklären?«
    Der Hauptmann schwieg und schlug die Augen nieder.
    »Darf ich gehen, Pjotr Stepanowitsch?« fragte er entschlossen.
    »Nicht eher, als Sie mir eine Antwort auf meine erste Frage gegeben haben: Ist alles wahr, was ich gesagt habe?«
    »Es ist wahr«, sagte Lebjadkin mit dumpfer Stimme und hob den Blick zu seinem Peiniger auf. Sogar Schweiß stand auf seinen Schläfen.
    »Ist alles wahr?«
    »Es ist alles wahr.«
    »Möchten Sie vielleicht irgend etwas hinzufügen oder bemerken? Wenn Sie finden, daß wir Sie ungerecht behandeln, können Sie auch dies erklären; protestieren Sie, erklären Sie laut Ihr Mißfallen!«
    »Nein, ich finde es nicht.«
    »Haben Sie kürzlich Nikolaj Wsewolodowitsch gedroht?«
    »Das … das war mehr der Alkohol, Pjotr Stepanowitsch.« (Er hob plötzlich den Kopf.) »Pjotr Stepanowitsch! Darf denn das sein, daß, wenn Familienehre und herzlich unverdiente Schmach vor Menschen wehklagen, daß dann, sogar dann der Mensch sich schuldig macht?« brüllte er wie zu Anfang, weil er

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