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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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zusammen, doch sein Blick änderte sich merklich.
    »Ich kenne Sie«, sagte er, »wir haben uns schon mal getroffen.«
    »Neunundsiebzig«, bestätigte ich, »auf einer Konferenz im Western Pediatric. Ein Symposium über de Boschs Lebenswerk. Sie haben einen Vortrag gehalten, und ich war im Vorsitz.«
    »Ja«, sagte er lächelnd, »Sie waren als Vertreter des Krankenhauses dabei, gezwungenermaßen, habe ich recht?«
    »Daran erinnern Sie sich?«
    »Ganz genau. Die ganze Konferenz hatte dieses Flair - niemand fühlte sich richtig wohl dabei. Sie waren sehr jung damals. Sie trugen einen Bart, nicht wahr?«
    »Ja.« Ich war verblüfft.
    »Sie sehen, so ist es, wenn man alt wird. Man erinnert sich an Dinge, die vor Jahrzehnten passiert sind; aber wenn Sie mich fragen, wo ich meinen Schlüssel hingelegt habe...«
    »Trotzdem, Doktor, ich bin beeindruckt.«
    »An den Bart erinnere ich mich so deutlich, weil mein eigener nie richtig wachsen wollte. Und an Ihre Stimme. Voller Stress. Genau wie jetzt. Na, kommen Sie schon herein, mal sehen, ob wir dem abhelfen können. - Kaffee oder Tee?«
    Hinter dem Wohnzimmer war eine kleine Küche. Die Tür, durch die er gekommen war, führte in eine winzige Schlafkammer, die, soweit ich sehen konnte, ganz in Rot gehalten und voller Bücher war.
    Er machte zwei Tassen Pulverkaffee, und wir setzten uns an den Küchentisch. Er goss eine Menge Sahne in seinen Kaffee, drei Löffel Zucker und begann zu erzählen:
    »Zuerst zu Ihren unausgesprochenen Fragen: Rot ist die einzige Farbe, die ich sehen kann. Das ist vererbt, sehr selten. Alle anderen Farben sind grau für mich. Also bemühe ich mich, die Welt ein bisschen freundlicher für mich aussehen zu lassen.«
    »Ich verstehe.«
    »Das wäre also geklärt. Nun erzählen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben bezüglich Andres und ›böse Liebe - das war doch der Titel der Konferenz, oder?«
    »Ja. Sie scheinen gar nicht überrascht zu sein, dass ich bei Ihnen auftauche.«
    »Doch, das bin ich, aber ich liebe Überraschungen. Alles, was die tägliche Routine aufbricht, ist wie ein frischer Wind.«
    »Diesmal könnte es eine unangenehme Überraschung sein, Dr. Harrison. Es kann sein, dass Sie in Gefahr sind.«
    Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. »Wie meinen Sie das?«
    Ich erzählte ihm von der Kassette, meiner Vergeltungstheorie und von der möglichen Verbindung zu David Hewitt und Lyle Gritz.
    »Und Sie denken, das könnten ehemalige Patienten von Andres gewesen sein?«
    »Möglich. Hewitt war dreiunddreißig, als er starb, und Gritz ist ein Jahr älter; das heißt, beide könnten als Kinder bei ihm in Therapie gewesen sein. Hewitt hat eine Sozialarbeiterin ermordet, vielleicht unter Gritz’ Einfluss, und Gritz läuft womöglich da draußen herum und hat nichts anderes im Sinn, als alte Rechnungen zu begleichen.«
    »Wofür sollte er Rache nehmen wollen?«
    »Für Fehler, die man mit ihm gemacht hat; für verfehlte Therapie, für die entweder de Bosch oder einer seiner Anhänger verantwortlich waren. Für Dinge, die in dem Heim passiert sind.«
    Er schwieg.
    »Wirklich passiert oder nur in seiner Einbildung«, fuhr ich fort. »Hewitt war paranoid und schizophren. Von Gritz kenne ich keine Diagnose, aber er könnte ebenfalls krank sein. Sie könnten sich in ihrer Pathologie gegenseitig beeinflusst haben.«
    »Eine geteilte Psychose?«
    »Oder auch nur geteilte Wahnvorstellungen, beide paranoid, wechselseitig verstärkt.«
    Er schien angestrengt nachzudenken. »Tonbänder, Anrufe... nein. Und der Anrufer hat den Namen Silk benutzt?« Ich nickte.
    »Hm. Und was hat Ihrer Meinung nach die Konferenz damit zu tun?«
    »Sie könnte der Auslöser gewesen sein. Die Konferenz ist mein einziger Berührungspunkt mit de Bosch. Ich dachte, ich sollte Ihnen von meinen Schwierigkeiten erzählen, weil einer der anderen Redner, Dr. Stoumen, letztes Jahr umgekommen ist. Die anderen konnte ich bisher nicht -«
    »Grant? Grant Stoumen?« Er beugte sich vor, nah genug, dass ich seinen Pfefferminzatem riechen konnte. »Ich habe davon gehört. Ein Verkehrsunfall, nicht wahr?«
    »Fahrerflucht. Er war auf einer Konferenz. Er trat auf die Straße und wurde umgefahren. Den Fahrer hat man nie gefunden. Die Polizei gab sich damit zufrieden, dass Stoumen sehr alt war und kaum noch sehen und hören konnte.«
    »Eine Konferenz also - der arme Kerl. So ein guter Mann.«
    »Hat er je bei de Bosch gearbeitet?«
    »Er ist manchmal eingesprungen, im Sommer, für ein

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